Hier das Portfolio in Einzelseiten. Die Bild- bzw Seitenbeschreibungen findet ihr auch im Alt-Text. Komplett findet ihr es hier als PDF: 1. die bebilderte Version, und 2. die Version zum Lesen.

Das Portfolio der Blinden Fotografen in Berlin von 2024/2025.
Seite 10:
Oben ein dokumentarisches Schwarzweißbild, “Silja Korn bei der Arbeit mit Model Malte”, darunter ein Text.
Das Foto zeigt eine Frau mit Sonnenbrille, die Stirn eines jungen Mannes mit einer Taschenlampe beleuchtend. Er überragt sie um mehr als Haupteslänge, sie muss sich etwas Strecken, um mit der Lampe an seine Stirn zu kommen. Er steht vor ihr, so dass er sie bis auf die Hand, die die Lampe führt, und ihr Gesicht verdeckt. Sie lacht. Der Junge blickt ungerührt geradeaus, wie eine Statue.
Text:
“Um Fotos zu machen, braucht man vor
allem Visionen, Bilder vor dem inneren
Auge. Was außerdem hilft, sind eine aus-
gefeilte Technik, Erfahrung und Teamwork.
Für mich ist es kein Widerspruch, als nicht
Sehende eine visuelle Kunst auszuüben.
Für mich ist das eine ganz natürliche Sa-
che. Ich sehe mit all meinen verbliebenen
Sinnen und meine Werke zeigen, dass es
funktioniert. Durch einen schweren Ver-
kehrsunfall mit 12 Jahren erblindete ich
völlig. Seit 2005 setze ich mich mit dem
Thema „blind fotografieren“ auseinander.
2016 entdeckte ich das Lightpainting für
mich, mit dem ich ein hohes Maß an Kon-
trolle über die entstehenden Bilder habe.
Mir gefällt auch die Idee, dass es älter ist
als die Fotografie selbst.
Ich habe meine eigene Bildsprache ent-
wickelt. Ich arbeite in Farbe und Schwarz-
weiß, mache Portraits, auch experimentel-
le, außerdem abstrakte, mit mehrfarbigen
Lichtquellen gemalte Arrangements, sowie
Übermalungen von Objekten. Dabei hauche
ich sozusagen mit meiner Taschenlampe
den toten Gegenständen Leben ein.
Sehr gerne bringe ich verschiedene Far-
ben und Lichteffekte, die mich inspirativ
mit Emotionen verbinden und füllen, in
die bewusst geplante Aufnahme mit ein.
Die Farben und die Aura der Fotos sollen
die Betrachtenden einladen, eigene wie
fremde Wahrnehmungen und Stimmungen
zuzulassen.
Als blinde Fotografin fokussiere ich mich
nicht nur auf das fertige Foto, das ich kre-
ieren möchte. Entscheidend ist auch der
Prozess, die Bilder in meinem Kopf, und
beides, die inneren Bilder und die Fotos,
miteinander zu verbinden.
Durch mein Hantieren und die Bildbe-
schreibungen der sehenden Assistenz
eröffnete mir das Fotografieren neue
Ebenen. Es war so, als würde ein Fenster
zur sehenden Welt wieder geöffnet werden
und als würde ich die Fotos selbst wieder
sehen können.
Silja Korn”