STATUS: SCHON BESCHRIEBEN
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Hier haben wir nun gleich eine ganze Serie von Fotos, eine Bildergeschichte, und endlich ist sie dank Aljoscha vollständig beschrieben.
Sie wird auch Teil der Ausstellung in Bernau sein!
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Un Mannequin
Von und mit:
Ilka Eberle
Georgina Philp, Tänzerin
Miri Kämpfer (Kitsch-Nation), Modedesignerin
Beatrice Mendelin, Maskenbildnerin
Jörg Möller und Karsten Hein, Fotografen
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Eine blinde Frau träumt, ein Fotomodell zu sein…
Schauplatz der Geschichte ist der berühmte Teréz Körút in Budapest, der „Boulevard der Bräute“. Dicht an dicht reihen sich hier heute die Showrooms der Brautmodengeschäfte und in den Hinterhöfen die Modeateliers und Fotostudios.
- Un Mannequin Seite 01
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- Un Mannequin Seite 31
Die BESCHREIBUNG von Aljoscha:
Das ist die Geschichte einer Verwandlung in 31 Schnappschüssen. Diese Schnappschüsse – also Fotos, die quasi beiläufig und spontan vom Fotografen aufgenommen wurden, – sind so aneinander gereiht, dass man sie wie eine Erzählung oder einen Bericht zurecht fantasieren kann. Ich versuche es jetzt.
Teil I. Bilder 1 bis 15
Das erste Bild besteht aus zwei Fotos – rechts eine kunstvoll gekleidete Frau mit glänzend weißem Haar, einem weißen Reifrock, einem schwarzen Mieder und ellenbogenlangen schwarzen Handschuhen. Die Schulter und Oberarme sind frei, und sie hält davor überkreuz ihre Hände in schwarzen Handschuhen. Ihr Kopf hat sie leicht nach rechts und nach unten gesenkt. Das Foto daneben ist ein Zigarettenautomat mit einem großen Pfeil darüber und einem Schriftzug, von dem man nur die Buchstaben VIP sieht.
Mit dem zweiten Bild erschließt sich auch das erste: Es ist wohl ein Viertel in einer alten Stadt, wo Brautkleider angeboten werden. Hier hängen Dutzend ähnliche Fotos wie das erste mit jungen hübschen Frauen in lauter weißen Brautkleidern, dazu bunte Reklame, die vor der Hochzeit wohl Blumen ersetzt. Irgendwas in einer nicht sofort identifizierbaren Sprache steht auch darüber geschrieben – Tschechisch oder Ungarisch? Szalon Heléna Exclusive Modellek. Vor Vitrinen flanieren Menschen, es ist Spätherbst und es ist fast ganz dunkel.
Plötzlich sind wir in einem Raum, grell beleuchtet, blendend weiß, mit zwei Scheinwerfern und einer Fotokamera. Hinten steht jemand in Schwarz. Aber im Vordergrund sitzt eine Frau auf dem Stuhl. Schwarze Hose, weißer Sweatshirt. Schwarzes Haar, zusammengebunden zu einem kleinen Pferdeschwanz. Sie hält ihre linke Hand am Gesicht, sie fühlt sich unbeobachtet.
Es wird hektisch. Ein Fotograf, eine Maskenbildnerin, zwei weitere Frauen. Es ist aber nicht nur ein Foto auf diesem Bild sondern gleich mehrere, chaotisch komponiert, so wie es wahrscheinlich bei der Maske eben zugeht. Und vor dem Spiegel sitzt die Frau vom Bild davor – aber auch hier sehen wir sie von de Seite, die anderen um sie herum und das leuchtende Licht gibt die Sicht auf sie nicht frei. Erst auf dem nächsten Bild sehen wir sie genauer: sie hält die Augen geschlossen, sie wird geschminkt. Auch hier viele chaotische Schnappschüsse – der Fotograf ist auch dabei, allerdings ist er mit seiner Kamera beschäftigt und probiert was aus.
Das nächste Bild, Nummer sechs, stellt die Frau dar, die wir schon wieder erkennen. Sie sitzt noch in der Maske, aber sie ist fertig damit. Sie ist der Kamera zugewandt. Sie schaut entspannt und lächelt bezaubernd. Sie ist sehr schön.
Auf dem nächsten Bild sind zwölf kleine Schnappschüsse zusammengefügt mit drei weiteren Frauen: Sie trinken Kaffee und führen wohl ein Gespräch, auch wenn man am Anfang das Gefühl hat, dass sie vielmehr einander zuhören: sie lächeln, lachen, gestikulieren. Besonders eine junge Schwarzafrikanerin mit einem Haarschopf.
Und gleich danach, auf dem nächsten Bild, ist sie ganz allein. In einem adretten gepunkteten Kleid mit offenen Schultern und Armen, barfuss. Doch die eigentliche Überraschung ist der Hintergrund – er ist grün. Bis jetzt war eben alles schwarzweiß. Und siehe da – ein Salatgrün, etwas verblasst. Und das Mädchen steht da, die Hände in die Seiten gestemmt.
Und wieder eine Kollage aus einigen kleinen Schnappschüssen: die Frau, die zurecht geschminkt worden ist, sitzt nun im Fotostudio – unter einem Scheinwerfer, vor dem Fotografen. Augen geschlossen, Beine weit auseinander gestellt. Man merkt ihr an, dass sie leicht angespannt ist: als hätten die Beine, die Körperhaltung, die Arme ein Kommando vom Bewusstsein bekommen. Und auch hier, auf dem letzten Schnappschuss das Mädchen vom Bild davor. Sie ist barfuss und probiert im Hintergrund wohl ihre Schritte.
Nun wissen wir auch warum: Sie ist Tänzerin. In einer heftigen Drehung wirbelt sie ihr Kleid hoch, sie dreht sich auf den Zehspitzen, die Arme ganz nach oben geworfen. Aber die Frau mit schwarzen Hosen und weißem Shirt schaut nur halbwegs zu ihr, obwohl das tanzende Mädchen ihren Blickkontakt sucht. Die Frau sitzt burschikos da und nimmt zwar die stürmische Bewegung hinter ihr wahr, schaut aber nicht wirklich hin.
Die Tänzerin ist nun vor ihr. Sie dreht sich heftig, der Rock steht fast waagerecht ab. Aber die Frau, vor der da getanzt wird, hat sich auf ihrem Stuhl zurückgelehnt und die Augen geschlossen. Sie ist ganz entspannt.
Eine neue Drehung, ein neuer Sprung der jungen Tänzerin. Die Frau ist wieder nach vorne gebeugt und, als hätte sie was im Auge, berührt sie es leicht mit der linken Hand.
Die Pirouetten sind vorbei. Das Mädchen ist wieder ruhig. Die Frau schaut vor sich hin, etwas zu streng. Hat die junge Tänzerin etwas falsch gemacht? Oder wartet die Frau auf ihren Einsatz: die Arme und Beine deuten darauf hin, als würde sie nur auf die Musikstelle warten, bei der sie ebenfalls aufspringen und tanzen wird.
Bild 14 besteht aus zwei Fotos – eins oben und eins unten – und zeigt nur die Gesichter der beiden Frauen. Nun hält diesmal das Mädchen die Augen zu, und die Frau, die auf dem Stuhl saß, steht jetzt vor ihr, schaut aber an ihr vorbei und hält ihre Hände vor dem Gesicht des Mädchens. Auf dem Foto unten berührt sie ganz sanft mit ihren Handrückseiten die Wangen des Mädchens.
Auf dem nächsten Bild streichelt sie ihre Wangen nun mit den Fingern, mit den beiden Daumen berührt sie ihre Lippen. Das Mädchen hält die Augen offen.
Teil II. Bilder 16 bis 31
Und wieder die Schnappschüsse, die Frau ist wieder in der Maske: Die Lippen werden konturiert, die Schminke fein abgestimmt, das schwarze Haar glatt gemacht. Es gibt auch eine strahlend blonde Perücke. Ob die Frau sie bekommen wird?
Als wäre sie in den Gedanken noch bei der Tänzerin, berühren ihre Finger mit den Silberringen das Gesicht des schwarzen Mädchens: Die Daumen sind an den Augenbrauen, dort wo sie von der Nasenwurzel hoch abgehen, die anderen Finger berühren die Stirn und die Schläfen.
Noch die letzten Griffe an den Wimpern, die letzten Striche mit dem Kajalstift, und das Gesicht ist perfekt – mit strahlend weißer Perücke.
Die Frau ist verwandelt. Die Augen sind mandelartig nachgezeichnet, wie es die alten Ägypter erfanden, die Lippen geschlossen. Ein Bild der tiefen inneren Trauer und Selbstbeherrschung wäre es, wenn es nicht gleich hier, auf einem Foto noch in derselben Collage, ein Ballklein gewesen wäre. Ein schwarzes eng anliegendes Oberteil und der weiße weit abstehende Rock. Die Frau hat es auch gleich an: Der weiße Reifrock reicht bis zum Boden. Der rechte Arm im ellbogenlangen schwarzen Handschuh.
Drei Frauen helfen, damit das Kleid richtig sitzt. Das schwarze Mädchen im Hintergrund hält den weißen Stoff hoch wie eine Art Schleppe, die Hände der Frau mit den schwarzen Handschuhen im Vordergrund sind am Hals, als würde sie ihre Perlenkette zurechtrücken.
Es ist soweit, die Helfer treten langsam zurück, alle lächeln. Die schwarze Tänzerin, einer der Fotografen, die Maskenbildnerin sind noch im Vordergrund. Hinten, allein, steht sie, das neue Model. Noch ist das Licht nicht auf sie gerichtet, noch streckt jemand die Hände, um das letzte strahlend weiße Strähnchen am Haar zu glätten. Die zart schwarzen Hände der Tänzerin streicheln zur letzten Ermunterung die Wangen und das Kinn des Models. Sie schaut freundlich, dann schließt sie die Augen, an ihrem Mund ist kein einziges Fältchen, die Lippen ruhevoll.
Bild 22. Das Gesicht in Großaufnahme, schräg von oben rechts. Die Augen halb geschlossen, der Kopf halb gesenkt. In den Mundwinkeln die Geburt eines Lächelns.
Schon auf dem nächsten Bild scheint die Show vorbei zu sein. Das Model, immer noch in glänzender Perücke, weißem Seidenrock und schwarzem Mieder, steht entspannt abseits des gleißenden Lichts. Die langen Handschuhe hat sie abgestreift und hält sie in den Fingern wie ein Theaterrequisit.
Bild 24. Noch einmal das Gesicht in Großaufnahme. Frontal, mit leicht geschlossenen Lippen. Die Augen geöffnet, etwas nach rechts gerichtet. Ein Blick, in den man viel hineinlesen kann: Trauer, Zärtlichkeit, Vorahnung, Gewissheit.
Doch das Fotoshooting geht weiter, diesmal vor dem dunklen Hintergrund. Die Kostümbildnerin korriegiert die Falten am Rock. Das Model steht in der klassischen Pose: die Ellbogen am Körper, die Hände in den schwarzen Handschuhen am weißen weit abstehenden Rock entlang.
Gleißendes Weiß des Rocks und der Perücke, pechschwarzes Mieder, aprikotzarte Haut, graugrüner Hintergrund. Das Model mit geschlossenen Augen und leicht nach rechts gesenktem Kopf steht mit den Händen überkreuz vor der Brust. Die schwarzen Handschuhe an der nackten Haut. Die Story ist nicht zu Ende, aber dieses Bild ist der Grund, warum sie erzählt wird.
Oder ist die Geschichte doch schon zu Ende. Wir sind nämlich wieder dort, wo sie begann: In einem Viertel, wo Brautkleider verkauft werden. Unter Fotos von Models mit weißen Brautkleidern ist auch unsere Frau mit schwarzen Handschuhen. Das Modegeschäft „Golden Rose“ hat das schöne Bild von ihr ausgestellt.
Auf der anderen Seite des Eingangs hängt auch ein Bild von ihr, das mit den Händen in Handschuhen entlang des weißen Rocks. Darüber steht „Elite Salon“, und ein Pfeil zeigt in den Hinterhof.
Und der letzte Blick unseres Models, fast schon privat. Sie hat noch die weiße Perücke an, aber schon ihren Schal um den Hals. Es sind zwei Schnappschüsse: oben schaut sie uns noch direkt an, unten wird sie sich gleich abwenden.
Bild 30. Im Treppenhaus. Kahle Wände, zwei Lichtschalter, ein Farbschatten von einem abgenommenen Poster, eine riesige Säule auf einem schmalen Sockel. Dahinter steht unser Model. Sie ist noch in ihrem Kostüm. Aber es ist vorbei.
Und doch nicht ganz. Die Frau stellt sich noch einmal frontal vor die Kamera. Hinter ihr die Wand: unten grau, oben hell mit einem grauen Viereck, das von einem Poster zurückblieb. Der Fußboden im alten Treppenhaus mit Musterkacheln. Weißer Rock, schwarzes Mieder, schwarze Handschuhe. Das schöne Gesicht ist nach links gewandt. Der Kopf graziös gesenkt. Aber sie ist etwas zu weit weg. Und sie schaut nicht mehr zu uns.
Ende.
Detaillierte Beschreibungen einzelner Seiten findet ihr hier: Seite 1, Seite 2, Seite 22, Seite 23, Seite 26.