
„Und tröstet bitte“. Lightpainting von Silja Korn, 2024
Das Lightpainting ist entstanden bei einem Besuch von Silja und Karsten in der Gedenkstätte Hohenschönhausen im ehemaligen Stasi-Gefängnis in Berlin. Karsten schreibt dazu:
Es gibt Sätze, die muss man aus dem Meer der Sprache herausheben, vorsichtig, mit beiden Händen, weil sie so voll Leid sind.
So ein Satz, der Silja und mir seit Gilbert Furians Führung nachging, war der des Mädchens, die in ihrer Zelle Selbstmord begehen wollte und als letzten Satz eben dieses in die Wand ritzte: Und tröstet bitte meine Eltern.
Wie hebt man solch einen Satz auf, vorsichtig, damit er nicht an den Fingern kleben bleibt?
Silja hat ihn mit Licht an die Zellenwand gemalt. Dafür hat sie zum ersten Mal seit 46 Jahren wieder in der Schrift der Sehenden geschrieben.
Das Bild:
Es handelt sich um ein Farbfoto im Querformat. Wir sehen zunächst eine auffällige Schrift aus Lichtbuchstaben, die die unteren zwei Drittel des Bildes ausfüllt. Die Schrift scheint in der Luft zu schweben in einem Raum. Wir schauen frontal auf eine Wand, links und rechts ein kleines Stück vom Bildrand entfernt sind die Ecken eines Raumes zu sehen. Die Wandfarbe ist fleckig weiß im oberen Drittel. Unten ist sie gelblich angestrichen mit hellblauen Flächen, die wie abgeschabt aussehen. In den Ecken schattig und zum unteren Bildrand dunkler verlaufend. Da, wo die Farben sich trennen, wo auch die Schrift oben anfängt, ist ein dünner roter Strich waagerecht an allen drei Wänden entlang gezogen. Fast in der oberen linken Ecke des Bildes befindet sich ein dunkles Quadrat mit kleinen runden Kreisen. Offensichtlich eine altmodische Lüftung. Unter der Lüftung, in der linken Ecke des Raumes steht eine menschliche Figur, das Gesicht zur Wand gedreht. Das Gesicht ist mehr als einmal abgebildet: links sehr verschwommen und rechts deutlicher, aber von einem Buchstaben halb verdeckt. Der Körper ist nur mit hellblauen Umrissen zu erkennen und verschwindet unten im Dunkel. Das Licht der Schrift, die wie in der Luft schwebt, beleuchtet das Gesicht. Die Schrift ist die einzige Lichtquelle im Raum. Sie deckt von links nach rechts genau die Rückwand des Raumes ab. Dort steht in Blockbuchstaben ohne Satzzeichen geschrieben: UND TRÖSTET BITTE MEINE ELTERN. Die Buchstaben sind unregelmäßig und scheinen in der Luft zu tanzen. Das R lehnt sich nach links ans T, mal verrutscht ein Strich am E, das U hakt sich beim N unter. Das „N“ tanzt besonders aus der Reihe: es weigert sich, ein Blockbuchstabe zu werden mit so vielen Spitzen. Es bleibt lieber ein N mit elegant nach oben geschwungenem Bogen. Kleine Lichtblitze schießen in verschiedene Richtungen und lassen die Buchstaben aussehen, als wären sie angezündet. Bei genauem Hinsehen ist jeder Buchstabe von einer Hand begleitet. Links vom Buchstaben ist schattenhaft manchmal die ganze Hand mit allen Fingern mit rotlackierten Nägeln, oft mit ausgestrecktem Zeigefinger zu sehen. Die Punkte auf dem Ö lassen sogar die Taschenlampe in der Hand erkennen. Jedoch nur schattenhaft neben und vor den leuchtenden Buchstaben.
Beschrieben von Katrin Heidorn