Der Idee, folgende Innenhöfe aufzunehmen, führte die Fotografin zu einem Ort ihrer Kindheit. Dort angelangt, entwickelte sich der Gedanke, eine Serie aufzunehmen. Die Auswahl umfasst fünf Bilder, die von Ruhe und Idylle in der Großstadt erzählen.
Die Aufnahmen entstanden Mitte Mai in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte.
Mitten im Lärm der Großstadt stehend – eine Straßenbahn im Rücken, brausender Autoverkehr, klingelnde Fahrräder, Menschenstimmen und Touritrubel um einen herum – fällt der Blick durch eine dunkle, langgezogene Toreinfahrt hinein in einen begrünten Hof.
Sogleich lädt die erblickte Szenerie dazu ein, in die üppige und menschenleere Natur des Hofes einzutauchen.
Zuerst betreten wir einen viereckigen, sterilen Durchgang: Glatte Decke und Betonboden sowie gekachelte Wände verweisen auf Architektur jüngeren Datums. Er endet vor einem Weg mit Rechtsbiegung, die den Blick auf den Rest vom Hof verwehrt. An diesem Punkt möchte man einmal tief einatmen und innehalten.
Befreit von der Unruhe, bietet sich nun eine neue und warme Atmosphäre zum Eintauchen an. Auf dem schmalen, gepflasterten Weg beginnt die Reise…
Wir tauchen an einem verlassenen Spielplatz wieder auf. Der Platz ist sonnig, aber es steht dort auchein Baum, der seine schweren, belaubten Äste tief hängen lässt und Schatten spendet. Im Vordergrund sieht man eine bekritzelte Tafel. Sie steht frei vor einer Wand und wird von massivem Holz eingefasst und gehalten. Auf ihrer Fläche zeichnet die Sonne ein spitzes, aufrechtes Dreieck.
Die Situation strahlt Ruhe aus, wie man sie von der sonntäglichen Mittagspause kennt. Das vermitteln auch die anderen, in der Nähe stehenden, einsamen Spielgeräte, die auf die Rückkehr der Kinder zu warten scheinen.
So lange warten wir nicht sondern lassen uns weitertreiben…
… und stoßen kurz darauf auf die Backsteinfassade eines kleinen Gartenhäuschens.
Die Backsteinmauer ist alt und von Wind und Wetter gezeichnet. In vergangenen Tagen einmal bunt bemalt worden, ist die Farbe nicht mehr kräftig und strahlend, sondern bereits von der Sonne ausgeblichen. Um das alte Holzfenster herum sind zwei braune Fensterläden aufgemalt, jeweils verziert mit einem roten, blau umrahmten Herzen. Sie heben die Tristesse des Fensters, mit seiner abbröckelnden Farbe und dem verrosteten Gitter, etwas auf.
Die Mauer schmückt eine gemalte Rosenhecke. Ihre großen, offenen rosa Rosenblüten und die vielen Verzweigungen, an denen kleine schmale grüne Blätter hängen, reichen vom Boden bis unter das Dach. Lässt man seinen Blick nicht durch die Verzierungen ablenken, entdeckt man den bröckelnden Mörtel zwischen den Steinen. Es scheint so, als halte die Rosenranke die Wand und gebe dem vernachlässigten Häuschen ein wenig Zuneigung.
Dieser Ort erinnert uns an ein Märchen und wir folgen wie Hänsel und Gretel dem Pfad weiter…
… und kommen von den gemalten Rosen zum leuchtenden Mohn.
Die strahlend rote Blüte hebt sich klar vom verschwommenen, grünen Hintergrund ab. Es ist eine große Blüte von 15 cm Durchmesser. Sie ist fast vollständig geöffnet und man erkennt große schwarze Flecken in der Mitte. Die Sonne scheint seitlich auf die Blüte, wodurch ein eingeklapptes Blütenblatt einen Schatten auf den Stempel wirft. Die Blütenblätter wirken dünn und leicht wie knittrige Seide.
Der Mohn strahlt Wärme,Kraft und Ruhe aus. Er erinnert an Frühlingswiesen mit dem Surren und Zirpen der Bienen und Insekten. Der Duft nach Frühling liegt in der Luft und man spürt einen leichten Windhauch und auch die wärmenden Sonnenstrahlen auf dem Gesicht.
Wir verlassen den Mohn und sind fast…
… zurück im Trubel!
Am Ende unseres Besuchs „Der Insel der Ruhe“ kommen wir zurück an den dunklen, kalten Übergang. Der Wind in den Blättern der Bäume dringt noch leise ans Ohr. Das Vogelgezwitscher wird ruhiger. Während wir hindurch gehen, werden die eigenen Schritte von den gekachelten Wänden zurückgeworfen und lauter. Stimmengewirr und das Lachen von Kindern, die am Tor zur Straße stehenbleiben, sind undeutlich zu hören. Alles vermischt sich miteinander: Motorengeräusche von Autos und Bussen und das Klappern eines vorbeifahrenden Fahrrades. Beim Auftauchen auf der Straße sind wir wieder zurück in der Hektik und dem Trubel der Großstadt.
Bilder von Susanne, Text von Anika und Katja
Entstanden bei unserem Fotoseminar für Blinde