Hier, das müsst ihr lesen. Gerald Pirner hat einen sehr tollen Aufsatz anlässlich unserer Ausstellung in der BrotfabrikGalerie geschrieben. All unsere Projekte, die sich mit Blindheit und Fotografie befassen, auch dieser Blog, haben ja eine erkenntnistheoretische Dimension. Wir befassen uns mit der menschlichen Wahrnehmung an einer jener Kanten oder Bruchstellen, die immer für neue Einsichten gut sind. Normalerweise lassen wir das hier im Blog nicht so raushängen, unser Angebot soll ja niedrigschwellig sein. Umso mehr freuen wir uns nun, wenn ein blinder Autor, einer der ganz wenigen, die sich ernsthaft mit visueller Kunst befassen, diesen Aspekt unserer Arbeit thematisiert. Damit ist unser Dialog zwischen Sehenden und Blinden auf eine neue Ebene gehoben:
Der gespürte Blick oder
An der Grenze zwischen Subjekt und Objekt
Die Schönheit der Blinden, eine Ausstellung in der Brotfabrik in Berlin-Weißensee mit Arbeiten von Karsten Hein und Arbeiten der Teilnehmerinnen seines Fotoworkshops
Ein Bild, das es nicht gibt, vorher nicht gab, ein Bild das vielleicht mehrere Bilder ist, das ein-gebildet ist, das nur in seiner Sprache existiert. Er sieht es vor sich, sieht vor sich, wie eine Frau das Gesicht einer anderen Frau berührt, eine Frau, die ihre Augen geschlossen hält, eine Frau mit geschlossenen Augen, berührt von einer anderen mit ebenfalls geschlossenen Augen. In seiner Imagination bittet er seine Assistentin zu Hilfe, bittet sie die Szene zu beobachten, bittet Sie die Szene zu beschreiben: Zwei Frauen, in gleicher Größe, beide vermeintlich in ähnlicher Haltung und doch unterscheidet sie etwas, von dem sie im ersten Moment nicht hätte sagen können, was es sei.
Er wartet, hört Ihr nach, hört wie Sie schaut, obwohl das nicht möglich ist, und doch glaubt er zu hören wie Sie schaut, ohne zu atmen, ohne dass er Ihr Atmen hörte.
„Die eine ist blind“, sagt Sie ruhig und wartet eine Weile.
„Woran siehst du das.“