Bis 1805 war an der Innenseite einer Friedhofsmauer des Dominikanerklosters in Basel ein etwa 60 Meter langes und etwa zwei Meter hohes, vermutlich um 1440 von einem unbekannten Künstler angefertigtes Bild zu sehen: „Der Basler Totentanz“. Das Bild wurde mit Temperafarben auf den Verputz gemalt und bedeckte die gesamte Fläche der Mauerseite. Die genaue Entstehungsgeschichte, Künstler oder Auftraggeber sind unbekannt. Die Mauer wurde 1805 abgerissen und der originale „Basler Totentanz“ somit nach vielfachen Restaurierungen und Kopien zerstört.
1806 schuf Johann Rudolf Feyerabend nach Vorlage einer Kopie von Emanuel Büchel aus dem 18. Jahrhundert eine Aquarellkopie. Das Bild ist im Querformat gestaltet; allerdings ist die Länge des Originals optisch in fünf Stücke geteilt, die wiederum in Reihen übereinander angeordnet sind. Unter jeder Bildzeile befindet sich ein schmaler, hellbrauner Streifen, der nach oben und unten jeweils durch eine dünne, schwarze Linie begrenzt ist. Darin steht unter jeder Szene der jeweilige Titel in geschwungenen Lettern: „Der Tod Zum / Zur …“. Der Hintergrund der Szenen wie auch der Streifen für die Unterschriften sind durchgängig gezeichnet. Die Schatten eines Bildes fallen teilweise in das rechts anschließende.
Abgebildet sind 37 lebensgroße Tanzpaare, bestehend aus dem Tod in Gestalt eines menschlichen Skeletts und eines Menschen. Die Menschen sind mit Attributen ihres jeweiligen Standes oder Berufes dargestellt; dies und die Reihenfolge der Darstellung zeigen die Hierarchie der spätmittelalterlichen Gesellschaftsordnung: beginnend mit dem Papst und endend mit dem Bauern. Diese Gesellschaftsordnung wird durch das Bild bekräftigt. Hoffnung gibt es im Tod, da alle Menschen sterben müssen. Außerhalb der Rangordnung sind vor dem Papst in der ersten Reihe der Prediger und der Tod selbst in jeweils einer Szene dargestellt. Nach dem Bauern in der fünften und letzten Reihe sind in vier Szenen Adam und Eva, der Maler, die Malerin sowie abschließend die Miniatur der Predigerkirche mit Kirchhof und Kirchmauer, auf welche der Totentanz gemalt war, zu sehen.
„Der Tod zum Blinden“
Die Szene „Tod und Blinder“ befindet sich als drittes Bild von rechts in der vierten Reihe von oben.
Im Mittelpunkt der Szene stehen deutlich rechts der Blinde und links der Tod. Bei dem Blinden handelt es sich um einen eher älteren Mann mit weißem Haar und weißem länglichem Bart. Er läuft gekrümmt. Der Körper erscheint dünn und eher schmal, aber nicht abgemagert. Die Perspektive zeigt ihn von rechts kommend und folglich von seiner linken Seite. Sein Gesichtsausdruck erscheint kläglich, aber freundlich. Seine Kleidung ist zerschlissen: die weiß-grauen Beinkleider zeigen Löcher und bedecken die Beine bis zur Hälfte der Waden. An den Füßen trägt er schwarze Überwürfe, die von knapp über den Knöcheln abwärts reichend und weder Zehen noch Sohlen bedecken. Ein annähernd backsteinfarbenes Gewand unter einem hellbraunen, ärmellosen Überwurf bedeckt den Körper des Mannes von den Schultern bis zu den Oberschenkeln. Der Kopf ist mit einem schwarzen, flachen und runden Hut mit weißem, schmalem Hutband bedeckt. Im Nacken liegt ein gräuliches Halstuch. Um seine Schultern hängt ein schwarzer Schulterriemen, an dem seine Habseligkeiten befestigt zu sein scheinen.
Mit der rechten Hand hält der Blinde senkrecht einen wahrscheinlich geschnitzten Holzstab, in der linken eine dünne Leine, an deren anderem Ende sich ein kleiner Hund befindet, der in die gleiche Richtung läuft wie der Mann, sich jedoch nach ihm umschaut. Er reicht mit dem Rücken gerade bis zur Wade des Mannes. Abgesehen von ein paar schwarzen Flecken auf dem Rücken und ebenfalls schwarzen Ohren, ist der Hund weiß. Sein Fell ist kurz und zottelig.
Ihnen entgegen tritt der Tod: Ein menschliches Skelett, oder eher ein bis auf die Knochen abgemagerter Mensch, mit weißem, spitzen Kinnbart und länglichem Schnurrbart sowie grauem Haupthaar. Seine Augen sind nicht nur leere Höhlen und der Mund ist leicht geöffnet. Der Gesichtsausdruck wirkt neutral. Der Tod trägt einen Strohhut mit zwei langen grauen Vogelfedern daran. An den Beinen sind zerschlissene Hosen, die bis zu den Oberschenkeln reichen, angedeutet. Dazu trägt er eine knappe Schürze, die den Lendenbereich bedeckt.
Entsprechend der Szene kommt der Tod von links und zeigt seine rechte Seite. Der Hund befindet sich direkt zwischen den sich in Bewegung befindenden Beinen des Todes. Mit der linken Hand hält der Tod den Stab des blinden Mannes fast am oberen Ende fest umschlossen, in der rechten Hand hält er eine Schere, deren geöffnete Schenkel bereits die Hundeleine zu umfassen beginnen.
Der Hintergrund der Szene zeigt einen schmalen, sandfarbenen Weg im unteren Bereich, und perspektivisch dahinter einen etwa doppelt so breiten Grasstreifen. Darüber schließt der gräulich erscheinende hellblaue Himmel bis zum oberen Rand der Szene an. An der äußersten rechten Seite des Horizonts erscheint blass ein Haus oder ein Gut mit Bäumen dahinter. Am Wegessrand bis in den Grasstreifen hinein befindet sich senkrecht zur Laufrichtung der Figuren ein in den Boden eingelassenes längliches, rechteckiges Loch.
Text: Philipp Zeitler
Bildquelle: Wikimedia