Archiv der Kategorie: Sonstiges

Ich hole Menschen aus dem Dunkel

Ein Interview mit Gerald Pirner in der Zeitung „Politik & Kultur“ des Deutschen Kulturrats:

„Für mich ist Dunkelheit etwas, aus dem ich Gedankenfiguren über meine Modelle heraushole, sie ins Licht führe. Über die Berührung entwickle ich ihre Richtung – das ist für mich entscheidend. Das heißt, wenn ich jemanden fotografiere, dann berühre ich ihn und hole ihn in der Berührung aus diesem Dunkel heraus. Dunkelheit ist also eine Art Indifferenz, die ich mit meiner Berührung durchbreche. Die Taschenlampe, die ich dabei verwende, ist letztendlich nur die Spur, die diese Berührung hinterlässt. Ich hole Figuren, Menschen aus dem Dunkel ins Helle, ins Sichtbare.“

Das ganze Interview hier in diesem PDF auf Seite 29:

Klicke, um auf puk1219-0120.pdf zuzugreifen

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Die Begründung der Jury der Wiesbadener Fototage

warum Sie den Blinden Fotografen ihren Preis verliehen hat:

Jurypreis der Wiesbadener Fototage 2019

Fotostudio für Blinde Fotografen 

Susanne Emmermann, Mary Hartwig, Silja Korn und Gerald Pirner

Vier in ihrer Lebenszeit erblindete Fotografeninnen und Fotografen – Susanne Emmermann, Mary Hartwig, Silja Korn und Gerald Pirner – haben zusammen mit dem Fotografen und Dokumentarfilmer Karsten Hein im Juni 2018 ein gemeinsames Fotoatelier in Berlin gegründet. Betitelt wurde es als ein Ort für Visionen. Auf Ihrer Facebook-Seite steht dazu: „Jeder Fotograf braucht eine innere Vision von dem Bild, das er machen möchte. Blinde Fotografen kultivieren diese innere Vision und realisieren sie mit einem Apparat, der mehr umfasst als die Kamera selbst. 

Deutlicher kann ein „Grenzgang der Fotokunst“ nicht vor Augen geführt werden, als etwas zu präsentieren, dass von den Akteuren selbst nicht gesehen werden kann. Alle vier Fotografen*innen schaffen intime und lautlose Bilder, indem sie die Technik des sog. „Lightpaintings“ nutzen und so das Charakteristikum ihrer Arbeiten schaffen, nämlich das Licht als ein besonderes Fluidum, als eine Aura oder eben eine innere Vision zu veranschaulichen. Sie machen das Licht zu ihrem Material und schaffen es dabei, ein Bild von einer Idee, sozusagen ein Vorstellungsbild, zu visualisieren, weclhes das Außen nicht kennt. Die künstlerische Kraft der sehr poetischen manchmal fast religiös-mystisch wirkenden Arbeiten ist enorm, wird berücksichtigt, dass stets zwei Personen im Teamwork an der Entstehung beteiligt sind.

Beim sog. „Lightpainting“ wird bei absoluter Dunkelheit der Verschluss der Kamera geöffnet. Der zu Portraitierende oder der Gegenstand werden vom Fotografen abgetastet und mit einer oder mehreren unterschiedlichen Lichtquellen (Taschenlampe, Feuerzeug oder Kerze) beleuchtet bzw. „bemalt“. Es ist eine Technik der Langzeitbelichtung, die eine fast wörtliche Umsetzung von Fotografie als Lichtmalerei vorstellt. Der Fotograf entscheidet dann, wann dieser Prozess beendet ist und schließt den Verschluss der Kamera. Anschließend beginnt der Dialog mit einer sehenden Person, die eine detaillierten Bildbeschreibung abgibt, um gegebenenfalls die Aufnahme zu wiederholen. Entscheidend sind somit die Aspekte, dass es um das Empfinden, um das taktile Aufspüren von Motiven und das anschließende Gespräch zwischen zwei Menschen geht.

Silja Korn verwendete für ihr erstes fotografisches Selbstportrait eine Kerze, um über die Wärmeempfindung auf ihrer Haut die Lichtintensität zu regulieren und so den wechselnden Eindruck von hellen und dunklen Partien auf ihrem Antlitz bewusst zu steuern.

Die im Frühjahr verstorbene Mary Hartwig arbeitete in ihrer Arbeit „Der Vogel“ in einer altmeisterlichen Manier. In einer Aureole aus Goldtönen liegt ein Wesen in verletzlicher und friedvoller Haltung.

In Gerald Pirners Bildern steht zunächst die Auseinandersetzung mit seiner Erblindung im Vordergrund. Bildinszenierungen des eignen, verletzten Körpers. In seinen Essays untersucht und beschreibt er präzise die Zusammenhänge des Berührens. „Berührung, die Licht wird. Berührung, die von Unberührbarem spricht.

Susanne Emmermanns Fotografien sind meist theatrale Erzählungen. Das Bild hier stammt jedoch aus einem Zyklus abstrakter, überwiegend farbiger Linien im Raum. Auf die Frage, warum sie fotografiert, sagte sie einmal: „Um mich zu erinnern – genau wie Sehende.“

Abschließend ist der Kollege und Mitinitiator des Fotostudios für blinde Fotografen Karsten Hein zu nennen, der 2011 ein Portraitprojekt umsetzte, in dem er auch Blinde einlud und fotografierte. Daraus ergaben sich die Ideen, Portraitfotografie für Blinde und später Fotografiekurse anzubieten. Kurz darauf entstanden der erste Fotoblog für Blinde und im letzten Jahr das Fotostudio.

Der Jurypreis der 11. Wiesbadener Fototage 2019 in Höhe von 1.500 Euro geht an die Gruppe des „Fotostudios für Blinde Fotografen“ – Susanne Emmermann, Mary Hartwig, Silja Korn, Gerald Pirner und Karsten Hein – für ein zukunftsweisendes und herausragendes Fotoprojekt von hoher sowie gleichartiger Qualität.

 

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Preis der Jury der Wiesbadener Fototage für die Blinden Fotografen

Das ist eigentlich alles, was wir bislang wissen. Am 6. September erhält die Gruppe des Fotostudios für Blinde Fotografen den Jurypreis der Wiesbadener Fototage.

 

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Susanne Emmermann im RBB

Sie ist ja nicht nur Fotografin und Reporterin, sie hat auch ihr eigenes Reiseprojekt für blinde und sehbehinderte Menschen, „Maulwürfe on Tour“.

Reisen mit Handicaps

Himmel und Erde am Sa, 1.6. von 17.25 Uhr bis 17.55 Uhr im @rbbfernsehen und online hier: https://www.rbb-online.de/himmelunderde/index.htm/doc=%21content%21rbb%21rbb%21fernsehen%21programm%2101_06_2019%211627520866.html
„Heute lernen wir Menschen kennen, die mit Rollstuhl auf Weltreisen gehen und auf dem Templiner See segeln. Wir besuchen das größte barrierefreie Hotel Deutschlands in Rheinsberg und besuchen mit einer erblindeten Frau eine Gemäldeausstellung in der Berlinische Galerie..

Durch fremde Augen sehen

Als Susanne Emmermann 30 Jahre alt war, begann sie zu erblinden. Nach wie vor aber liebt sie es, Kunstausstellungen zu besuchen. In der Berlinischen Galerie läßt sie sich die Bilder der Künstlerin Lotte Laserstein beschreiben.  Auch von Wildfremden.“

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Gerald Pirner: Bild und Berührung

oder von der Fotografie als Bildbildung eines Erblindeten

Der Erblindete hat nicht zu wenig Bilder, er hat viel zu viele. Nichts an Bildern aber gibt es, was ihn von seinen blinden Bildern befreite, von einer inneren Bilderflut, von Bildern die ihre Referenz nur in seinem Inneren haben, die kein Außen kennen, worin sie sich würden wiederfinden lassen, um sich und die anderen Bilder differenzieren und bannen zu können.

Bilder sind es aber auch, die sich einstellen, wenn der Erblindete etwas berührt, wenn er etwas riecht, wenn er etwas hört oder schmeckt, wenn er denkt, sich erinnert, wenn ihm etwas beschrieben wird, wenn er liest. Bilder sind es, die ihn befallen, wenn er nicht mit ihnen rechnet, unwillkürlich, Bilder, die kein Bild eines Außen in Schach hält, gegen die sich kein visuelles Bild durchsetzt, die kein optischer Eindruck einschränkt, sie maßregelt oder domestiziert…

Den vollständigen Artikel findet ihr hier auf Gerald Pirners Blog.

 

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Workshops in der Berlinischen Galerie

Interesse an Foto-Workshops mit einem blinden Fotografen? Im August hat uns die Berlinische Galerie, das Berliner Landesmuseum für zeitgenössische Kunst, eingeladen, dort selbigen zu veranstalten:-) Müsst ihr alle kommen!

Von Angesicht zu Angesicht
Inklusiver Workshop zu Fotografie und Bildbeschreibung für Blinde, Sehbehinderte und Sehende
Sa 18.08.2018, 10:30–16:30 Uhr + Sa 01.09.2018, 10:30–14:30 Uhr sowie individuelle Fototermine nach Vereinbarung im Fotostudio für Blinde Fotografen
Zur Ausstellung „Loredana Nemes. Gier Angst Liebe – Fotografien 2008–2018“

Zum ersten Mal veranstaltet die Berlinische Galerie einen inklusiven Workshop, in dem sich blinde, sehbehinderte und sehende Kunstinteressierte der Fotografie und deren Bildbeschreibungen widmen. Das Medium bietet unerschöpfliche Möglichkeiten, um Personen, Gegenstände oder Alltagssituationen abzubilden. Im Rahmen der Ausstellung „Loredana Nemes. Gier Angst Liebe – Fotografien 2008–2018“ nähern sich die Teilnehmer*innen den Porträtaufnahmen der Künstlerin an, die einen Schwerpunkt  der Werkschau darstellen. Unentbehrliches Mittel im Dialog zwischen blinden, sehbehinderten und sehenden Teilnehmer*innen bilden hierbei ausführliche Bildbeschreibungen. Sie eröffnen sowohl Blinden als auch Sehenden einen detaillierten Zugang zur Kunst.

Der Workshop erstreckt sich über drei Tage.

1. Tag, 18.08.2018, 10:30–16:30 Uhr: In einem gemeinsamen Rundgang lernen die Teilnehmer*innen die Ausstellung und Hauptwerke von Loredana Nemes kennen. Hierbei kommen Tastobjekte und Materialproben zum Einsatz, um die Bildmotive zu veranschaulichen. Neben technischen und gestalterischen Aspekten in der Porträtfotografie sollen in Anlehnung an das Werk Nemes’ in der Gruppe Bildbeschreibungen geübt und einzelne Szenerien nachgestellt werden.

2. Tag, individueller Fototermin nach Vereinbarung: In Einzelterminen können sich die Teilnehmer*innen von Gerald Pirner per Lightpainting im ersten Berliner Fotostudio für Blinde Fotografen porträtieren lassen. Beim Lightpainting werden Körper, Figuren oder Gegenstände mit unterschiedlichen Lichtquellen nachgezeichnet, während die Kamera auf Langzeitbelichtung eingestellt ist. Die Technik bietet blinden und sehbehinderten Fotograf*innen die Möglichkeit, durch Licht, Gestik und Kommunikation die entsprechenden Motive einzufangen.

3. Tag, 01.09.2018, 10:30–14:30 Uhr: Zum Abschluss des Workshops trifft sich die Gruppe erneut in der Berlinischen Galerie, um ihre Erfahrungen bei der Beschreibung und Wahrnehmung von Fotografien auszutauschen sowie die Arbeitsweisen von blinden, sehbehinderten und sehenden Fotograf*innen zu diskutieren.

Geleitet wird der Workshop von den Fotografen Karsten Hein und Gerald Pirner. Beide setzen sich auf praktischer sowie kunsttheoretischer Ebene mit dem Phänomen von Fotografie und Wahrnehmung, Sehen und Nichtsehen auseinander. Gerald Pirner arbeitet mit der Methode des Lightpaintings, die es ihm als blinder Fotograf ermöglicht, seine Bildideen und -motive zu visualisieren.

In Kooperation mit der Werkstatt für Interkulturelle Medienarbeit e.V. (WIM)

Der Workshop ist im Museumseintritt enthalten.

Da die Teilnehmer*innenzahl für den Workshop begrenzt ist, bitten wir um Anmeldung bis 31.07.2018 per E-Mail an bildung@berlinischegalerie.de, Tel. 030-789 02-837. Informieren Sie uns über eventuellen Unterstützungsbedarf!

 

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