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100 Meisterwerke: 60. „Madonna im Grünen“ von Rafael

Madonna im Grünen

Raffaels Madonna im Grünen“, Langtitel: „Madonna im Grünen, Szene: Maria mit Christuskind und Johannes dem Täufer“ ist ein im Jahr 1506 auf Holz entstandenes Ölbild, das der Künstler für den Patrizier Taddeo Taddei anfertigte. Es hat eine Höhe von 113 cm und eine Breite von 88 cm und hängt heute im Kunsthistorischen Museum in Wien.

In der Mitte des Bildes sitzt Maria, etwa 20 Jahre alt, in freier Natur, wie vor einer Kulisse. Sie wendet uns ihre halbrechte Seite zu und hat den Kopf zu ihrer rechten Schulter gedreht. Sie trägt ein rotes Kleid  mit langen Ärmeln aus scheinbar dickerem Stoff. Der flache, an den Schultern abschließende Rundhalsausschnitt hat einen Goldsaum. Um ihren linken Arm, die Hüfte und die Beine ist eine blaue, gold gesäumte Decke geschlungen, sodass der Rock des Kleides nicht zu sehen ist. Darunter lugt nur ein Fuß am rechten unteren Bildrand hervor. Ihre dunkelblond bis rötlichen Harre sind vom Mittelscheitel aus zu zwei Zöpfen geflochten, die jeweils rechts und links über die Ohren und um den Hinterkopf gelegt sind. Der Kopf ist zur linken unteren Bildecke gedreht, ihr Blick ist gesenkt. Die Augen schauen freundlich, aber eher abwesend. Der Mund zeigt ein dezentes Lächeln. Sie hat eine schmale, kleine Nase, wobei der Nasenrücken insgesamt recht lang erscheint.

Maria sitzt leicht erhöht vom Boden, wie auf einem Stuhl oder Stein. Der Gegenstand ist jedoch nicht zu sehen. Ihr Unterkörper ist zur rechten unteren Bildecke gerichtet, ihr rechtes Bein ist leicht gestreckt. Der Oberkörper dreht sich leicht zur linken Bildseite und ist etwas vornüber gebeugt.

Zwischen ihren beiden nach unten greifenden Händen, an der Außenseite ihres rechten Beines, steht ein nackter, zwei- bis dreijähriger Knabe mit kurzem rötlichem Haar in der Mitte der unteren Bildhälfte. Er ist leicht gegen sie gelehnt, hat seine linke Hand auf ihrer rechten Hand abgelegt und hält wiederum mit seiner Rechten

Der Knabe schaut zur linken Bildseite. Sein Blick geht in Richtung eines zweiten, etwas älter wirkenden Knaben mit kurzen roten Locken. Dieser kniet auf seinem rechten Bein, seine einzige Kleidung ist ein gräuliches Tuch, das um die linke Schulter und den Rumpf gebunden ist. Er hält mit beiden Händen ein zierliches, scheinbar hölzernes Lateinisches Kreuz, dessen Längsbalken den Knaben überragt. Der Querbalken am oberen Ende ist eher kurz. Er schaut dem Jüngeren direkt ins Gesicht. Dieser hält mit seiner rechten Hand den oberen Teil des Kreuzes umfasst. Die Blicke der Knaben erscheinen leer, ihr Gesichtsausdruck ist neutral. Die Münder sind geschlossen.

Schräg über beziehungsweise hinter den Köpfen aller Figuren schweben sehr feine goldene Ringe, der „Mittelpunkt“ eines jeden Ringes berührt quasi jeweils einen Hinterkopf wie ein Heiligenschein.

Die Landschaft im Hintergrund ist überwiegend hellbraun bis grün gefärbt. In näherer Umgebung der Figuren sind kniehohe Hügel zu sehen. Rechts von der Madonna, etwa auf Höhe der Bildmitte, wächst eine Mohnblume mit zwei geöffneten und einer geschlossenen Blüte. Am unteren Bildrand sind vielleicht Erdbeerpflanzen zu erkennen. Auf Höhe der Schultern der Madonna verschwinden links ein Baum und rechts ein Busch aus dem Bild. Weiter hinten, leicht verschwommen, wird die Landschaft grüner und bergig. Links kurz vor dem Horizont ist ein kleiner Berg mit einem Tempel oder ähnlichem darauf zu sehen. Das Hauptgebäude ist eher rund und besitzt ein Kuppeldach, daran anschließend steht ein schmaler, runder Turm mit Zeltdach. Am Fuße des Berges stehen weitere Gebäude, vielleicht ein Dorf. Der Berg und die darauf befindlichen Gebäude erscheinen grünlich-grau, das Dorf beige. Dies alles ist eher unscharf gezeichnet; es ist Kulisse. Der Himmel ist sehr hell, unten fast weiß, weiter oben hellblau gefärbt. Es hängen einzelne größere Wolken am oberen Bildrand.

Das rote Kleid Marias und die blaue Decke heben sich deutlich vom Hintergrund ab und bilden einen farbenfrohen Kontrast zu der zwar bewachsenen aber eher karg wirkenden Umgebung.

Bildquelle: zeno.org

Text: Philipp Zeitler

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„Shot in the Dark“ – Ein Film mit blinden Fotografen

Pünktlich zur Filmpremiere des Dokumentarfilms „Shot in the Darkhaben wir mit Regisseur Frank Amann darüber gesprochen, wie aus einer spontanen Begegnung mit blinden und sehbehinderten Fotografen und der Faszination mit ihren Werken ein Film über die Werke dreier starker Persönlichkeiten entstand. Aus diesem Gespräch und selbst recherchierten Informationen entstand folgendes, fiktives Interview.

Der Film prämiert am 19. 1. in Berlin und am 21. 1. in Hamburg. Zwischen 13. und 24. Januar finden weitere Veranstaltungen und Workshops rund um den Film und die Protagonisten statt.  Untertitel und Audiodeskription sind über die App Greta & Starks verfügbar.

Wie bist du auf die Idee gekommen, einen Dokumentarfilm über blinde Fotografen zu drehen?

„Shot in the Dark“ ist meine erste Regiearbeit. ich bin eigentlich Kameramann. Vor ungefähr 6 Jahren habe ich in Spanien an einem Coming of Age Spielfilm über ein überbehütetes, blindes Mädchen gearbeitet. Der Film begleitete die Protagonistin auf der Suche nach ihrem Platz in einer von visuellen Eindrücken geprägten Teenagerwelt. Um ihre Sichtweise besser in Filmbildern darstellen zu können, habe ich mich gefragt, wie dieses Mädchen ihre Umwelt erlebt.

Ich recherchierte ein bisschen und stieß auf den blinden Fotografen Evgen Bavcar, dessen Bilder allerdings eher einer surrealistischen und symbolistischen Tradition verbunden sind und für unsere Filmrecherche deshalb nur bedingt geeignet waren. Dann stieß ich auf den Fotokatalog der Wanderausstellung „Sight Unseen“, die ich später auch live besuchte. Einige dieser Bilder blieben mir im Gedächtnis und als ich für ein ganz anderes Projekt in den USA war, beschloss ich spontan zwei der in „Sight Unseen“ vertretenen Fotografen Bruce Hall und Pete Eckert anzurufen, ob sie sich mit mir treffen würden. Damals hatte ich noch keine konkrete Filmidee. Ich war neugierig und wollte die Fotografen hinter den Bildern kennen lernen. Aus einer kurzen Unterhaltung wurden mehrere Stunden und wir entdeckten, dass wir viele Ansichten über Kunst und Fotografie teilten. Von der Idee zum fertigen Film über Pete Eckert, Bruce Hall und Sonia Soberats war es allerdings ein langer Weg.

Was war dir bei der Verfilmung deiner Idee wichtig?

Ich wollte keinen Film über sondern mit blinden Fotografen machen. Ich habe den HBO Kurzfilm „Dark Light The Art of Blind Photographers“ gesehen, in dem Bruce und Pete auch vorkommen, aber der hat versucht analytisch und didaktisch zu erklären wie blinde Fotografen arbeiten. Sehende Experten wurden gefragt, wie das funktioniert und das Ganze wirkte wie Forscher, die einen Ameisenhaufen inspizieren.

Mein Film ist eher visuell und beobachtend und begleitet die Protagonisten bei der Arbeit und lässt sie selbst und ihre Familien und Freunde zu Wort kommen. Der Zuschauer soll sich selbst anhand des Gesehenen und Gehörten eine Meinung bilden ohne zu sehr von Erklärungen und Kommentaren meinerseits gelenkt zu werden.

Bruce Hall

Bruce zum Beispiel fotografiert hauptsächlich unter Wasser und seine beiden autistischen Zwillingssöhne, über die er gemeinsam mit seiner Frau das Buch „Immersed: Our Experience with Autism“ veröffentlicht hat. Da er die Gesichtsausdrücke seiner Söhne schwer sehen kann, begegnet er ihnen in vergrößerten Bildern auf eine neue Art. Die hauptsächlich nonverbale Kommunikation mit seinen Kindern ist wichtig, aber nicht Mittelpunkt des Filmabschnitts über Bruce. Was er sieht, setzt er sich seit frühster Kindheit mit Vergrößerungsgeräten und heutzutage mit Bildschirmen zusammen. Bruce sagt von sich selbst, er sieht zweimal: zuerst einen Eindruck oder Umriss beim Aufnehmen und später auf dem fertigen Bild mehr Einzelheiten.

Außerdem wollte ich, dass die Protagonisten den fertigen Film auch genießen können. Daher die Audiodeskription über Greta. Ich habe auch viel mit Klangeffekten und Tonschichten gearbeitet. In Kinovorführungen wird sich der Sound räumlich auf verschiedene Boxen verteilen. Da sich die Töne im Raum bewegen, entsteht ein räumlicher Klangeffekt.

Was hat dich an den Arbeiten dieser blinden Fotografen fasziniert und was unterscheidet sie von den Werken sehender Fotografen?

Heutzutage sind wir einer tagtäglichen Bilderflut ausgesetzt. Damit ein Bild unsere Aufmerksamkeit für mehr als ein paar Sekunden hält und uns anschließend im Gedächtnis bleibt, muss es etwas Besonderes zeigen oder eine ungewöhnliche Perspektive oder Technik haben. Vielleicht haben blinde Fotografen in dieser Hinsicht sogar einen Vorteil, da ihnen oft der Vergleich zu anderen Bildern fehlt. Wenn man gar nichts oder wenig sieht, verliert man sich weniger im Detail, wodurch Hell –Dunkelkontraste und abstrakte Formen besser zur Geltung kommen. Ich selbst kneife auch manchmal die Augen zusammen um das große Ganze besser zu sehen. Das bedeutet aber nicht, dass die Bilder von Blinden alle ähnlich sind, im Gegenteil Motive und Techniken sind so unterschiedlich wie ihre Fotografen und deren Sehreste und Interessen.

Arbeiten blinde Fotografen anders als Sehende?

Jeder Künstler, ob sehend oder nicht hat, seine eigene Arbeitsweise. Die meisten blinden Fotografen arbeiten konzeptionell. Während sehende oft zufällig etwas Interessantes sehen und es fotografieren, entwickeln blinde die Bildkomposition zuerst vor ihrem inneren Auge und versuchen sie dann umzusetzen.

Pete Eckert

Vor seiner allmählichen Erblindung durch eine Erbkrankheit war Pete Schreiner und Kunststudent, zuletzt studierte er Architektur, und im Prozess seiner Erblindung Wirtschaft. Er kam erst später von Skulpturen über Holzschnitte zur Fotografie. Er arbeitet auch heute noch mit einer analogen Mittelformatkamera, da diese ihm mehr Unabhängigkeit ermöglicht. Die Mechanik dieser alten Kameras ist ertastbar und Markierungspunkte am Objektiv und ein Lichtmesser ohne Glasverkleidung ermöglichen das selbstständige Einstellen. Abgesehen von der Auswahl für großformatige Abzüge verzichtet Pete auf sehende Hilfe, da für ihn nur ein selbstständig entworfenes und fotografiertes Bild ein authentisches Bild aus der Welt eines Blinden ist. Trotzdem ist ihm das Feedback der Betrachter wichtig, da kein Künstler auf Dauer ohne positive Rückmeldung motiviert bleibt.

Sonia Soberats

Als junge Einwanderermutter verlor Sonia kurz nacheinander ihre beiden Kinder und ihr Augenlicht. Obwohl sie früher nicht fotografierte, fand sie später neue Lebenserfüllung im Light Painting, einer Fotografietechnik bei der in völliger Dunkelheit nur das Bildmotiv mit verschiedenen Lichtquellen angestrahlt wird, wodurch es im fertigen Bild nahezu geisterhaft zur Geltung kommt. Sonia gewinnt ihre Ideen aus Erlebnissen, Gerüchen und fühlbaren Texturen. Ihre Modelle sind oft Familienmitglieder und Freunde mit denen sie sich während des Fotoshootings unterhält. Bei Umsetzung und Auswahl hilft ihr ein sehender Assistent. Die Belichtungsdauer beträgt mehrere Minuten. Die Ideen sind ihre, für sie ist die Assistenz nur technische Hilfe.

Light Painting Workshops für Blinde und Sehende

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe rund um den Film finden in Berlin Künstler Gespräche und am 14. und 15. Januar ein Light Painting workshop für blinde und sehende Teilnehmer statt. Geleitet wird der Workshop von Sonia Soberats und Mila Teshaieva, einer sehenden Fotografin, die ähnliche Techniken benutzt.

Kontakt: kontakt@shotinthedark-film.com

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Warum eigentlich 100 Meisterwerke?

Regelmäßigen Lesenden unseres Blogs ist sicher schon aufgefallen, dass wir im letzten Jahr angefangen haben 100 Meisterwerke zu beschreiben. Dank der fleißigen Studierenden der Alice-Salomon Hochschule Berlin, die sich in einem Seminar ausführlicher mit Bildbeschreibungen beschäftigen, und unserem Korrekturteam findet ihr inzwischen fast 60 Beschreibungen in der Kategorie 100 Meisterwerke. Diese bunt gemischte Sammlung enthält berühmte Gemälde, Grafiken und Fotografien in den verschiedensten Stilen und aus den unterschiedlichsten Kunstepochen. Die Reihenfolge ist willkürlich, da wir keine Hitliste erstellen wollen, die Verschiedenheit der Werke macht einen Vergleich unmöglich. Erstellt wurde die Auswahl gemeinsam von sehenden und blinden Künstlern, Kunstkritikern, Kunsthistorikern und interessierten Laien. 100 ist nur ein Anfangsziel und wir freuen uns über weitere Vorschläge.

Entstanden ist das Projekt aus einer Seminarrehe darüber, was eigentlich ein „gutes Bild“ ausmacht und wodurch ein Werk berühmt wird. Damit ein Werk für Sehende aus der täglichen Bilderflut herausstricht, muss es entweder aus einem wichtigen historischen oder kulturellen Kontext heraus entstanden sein oder die Aufmerksamkeit des Betrachtenden sofort auf sich ziehen. Letzteres kann zum Beispiel durch ein seltenes oder emotional berührendes Motiv, durch interessante Techniken oder durch ungewohnte Blickwinkel erreicht werden. Um solche Bilder handelt es sich bei unseren 100 Meisterwerken, von denen viele ikonisch sind und sozusagen zum visuellen Allgemeinwissen gehören. Auch ohne Wissen über Künstler und Entstehungsgeschichte, haben viele Betrachtende das Gefühl ein Foto oder Gemälde irgendwo schon einmal gesehen zu haben.

Auch wenn es inzwischen häufiger blindengerechte Museumsführungen und Audioguides gibt, fehlt vielen blinden und sehbehinderten Menschen dieses Allgemeinwissen der visuellen Kunst. Vielleicht macht der mangelnde Vergleich die Werke vieler blinder Künstler auch so einzigartig, aber wir wollen mit unseren 100 Meisterwerken versuchen diesen Nachteil auszugleichen und hoffentlich neues Interesse für bildende Kunst und Kunstgeschichte wecken.

Wir freuen uns wie immer über Kommentare, Rückfragen und vorschläge für weitere Meisterwerke

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100 Meisterwerke: 55. „Der Blindensturz“ von Pieter Bruegel

Der Blindensturz

Der Blindensturz ist ein Gemälde des niederländischen Malers Pieter Bruegel des Älteren. Es entstand im Jahre 1568 und ist der europäischen Kulturepoche Renaissance zuzuordnen. Das Gemälde ist in einer reduzierten Palette aus Braun- und Blaugrautönen gehalten und wurde mit Temperafarben auf Leinwand aufgetragen. Das querformatige Originalgemälde hat die Abmessungen 154 cm × 86 cm und ist heute im Museo di Capodimonte in Neapel zu besichtigen.

Das Gemälde zeigt eine Gruppe sechs blinder Männer, die im Gänsemarsch diagonal von links oben nach rechts unten das Bild durchqueren und dabei auf abschüssigem Gelände einer nach dem anderen ins Stolpern geraten. In der linken unteren Ecke wird die Gruppe durch den Bildrand von der Betrachterin getrennt.

Die Szene spielt sich auf einer in hellen Brauntönen gehaltenen Dorfwiese ab. Links oben, hinter den letzten beiden Männern, sieht man zwischen einigen dürren Bäumen die braunen Dächer zweier mit Reet gedeckten Häuser. Auf der rechten Bildseite ist ein von Bäumen gesäumtes Gewässer zu sehen. Möglicherweise ist es ein Bach.

Den Hintergrund bilden ein überwiegend grün bewachsener Hügel und, neben einigen weiteren Bäumen, eine in blaugrau dargestellte Dorfkirche. Die Wiese endet vorn links im Bild an einem Abbruch, der weißen Boden erkennen lässt. Entlang dieser Abbruchkante verläuft die Wiese, auf der sich die sechs Männer bewegen abschüssig, schräg nach unten.

Die Männer tragen typisch mittelalterliche Kleidung in vorwiegend Grau- und blassen Blautönen: Bundhosen mit weißen Strümpfen und schwarzen Schuhen, darüber eine lange Jacke, die von einem Gürtel zusammengehalten wird. Die beiden Männer in der Mitte haben jeweils eine Ledertasche am Gürtel befestigt. Über die Jacken haben alle Männer weite, am Hals gebundene und vorn offene Umhänge um die Schultern geworfen. Jeder von ihnen trägt Kopfbedeckung – einen Hut, eine Kappe oder eine Haube, einige auch beides. Die Kleidung lässt vermuten, dass es Herbst ist.

Jeder zweite Mann hat einen langen, hölzernen Stab in der Hand. Die Blinden sind wie an einer Kette aufgereiht unterwegs: Jeder hat die Schulter des Vorangehenden oder dessen nach hinten gereichten Blindenstab erfasst, den Kopf mit den blinden Augen emporgehoben – während wohl jeder Sehende den Blick auf den unebenen Boden gerichtet hätte. Der vorderste der Männer ist bereits gestürzt. Er liegt nun mit dem Rücken in dem Gewässer am rechten Bildrand, die angewinkelten Beine der Betrachterin entgegengestreckt und die Arme hilflos emporgehoben. Mit der rechten Hand umklammert er den Holzstab. Die Finger seiner linken Hand sind durch das Bildende abgeschnitten. Rechts neben ihm halb im Wasser eine braune Tasche.

Der zweite in der Reihe wurde von dem Gestürzten mitgerissen und ist im Moment des Fallens dargestellt. Sein Körper ist bereits um 45 Grad nach vorn (im Bild nach rechts) gekippt, er hat den Kopf der Betrachterin zugewandt – der Schrecken ist ihm ins Gesicht geschrieben. Der Mund ist weit aufgerissen. Bei genauer Betrachtung kann man bei ihm die Ursache seiner Blindheit feststellen. Ihm wurden die Augen ausgestochen.

Nach einer kleinen Lücke folgt der dritte Mann auf den zweiten. Er befindet sich in der vorderen Bildmitte. Mit seiner nach vorn gestreckten linken Hand hält er den Stock seines Vordermanns fest. Dadurch kommt er ebenfalls ins Stolpern. Er ist bereits ein wenig nach vorn (im Bild nach rechts) geneigt. Sein Gesicht zeigt die Verwunderung über das Geschehen vor ihm, das er wohl nur erahnen kann. In der linken Hand hält er seinen hellen breitkrempigen Hut.

An ihren Gesichtsausdrücken ist zu erkennen, dass die drei anderen (in der linken Bildhäfte) noch nicht ahnen, was ihnen bevorsteht. Sie tappen im Gänsemarsch hinterher. Dabei hält sich die vierte und fünfte Person jeweils mit der linken Hand an der rechten Schulter des Vordermanns fest. Den fünften und sechsten Mann verbindet ein Stock, den beide in der rechten Hand halten. Der Letzte hält zusätzlich noch einen weiteren Stock, senkrecht als Gehhilfe, in seiner linken Hand.

Die Einzelbilder der sechs Gestalten könnten auch die Bewegung eines einzelnen Stolpernden in verschiedenen Phasen zeigen, der von links nach rechts, mit zunehmender Neigung durch das Bild kippt und schließlich zum Liegen kommt.

Bildquelle: wikipedia.org

Text Antje Köhn und Wikipedia

 

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100 Meisterwerke: 53. „Der Sämann vor untergehender Sonne“ von Vincent van Gogh

Das Gemälde „Der Sämann vor untergehender Sonne“ entstand im November 1888. Es wurde von dem Niederländischen Maler Vincent van Gogh gemalt und gehört zu einer Reihe von Gemälden typischer Ernte- und Landschaftsszenen, die der Maler in diesem Jahr anfertigte. Diese Kombination aus Landschaft und Mensch stellt eine besondere Variante dar; da anders als bei traditionellen Jahreszeitenszenen nicht nur das Feld, sondern auch der es bestellende Arbeiter abgebildet ist. Van Gogh zählt zu den Begründern der modernen Malerei. Das beschriebene Werk entstand im Französischen Arles und wurde in Öl auf einer 32 x 40 cm großen Leinwand gezeichnet. Heute ist es im Rijksmuseum Vincent van Gogh zusehen.

Auf dem Gemälde ist eine Herbstlandschaft dargestellt: ein Fluss, ein Getreidefeld sowie der von einer großen Sonne dominierte Himmel. Außerdem befindet sich eine Person auf dem Feld.  Der wagerechte Streifen des Horizonts teilt die Szene in zwei gleichgroße Abschnitte. Diagonal durch das Bild vom unteren, rechten bis zum oberen linken Bildrand verläuft ein dunkler Baum mit ein paar dünnen Ästen an denen wenige rötliche Blätter hängen. Ebenso von rechts unten bis zum Horizont – schräg nach links verlaufend ist ein Acker in verschiedenen Farben zu erkennen. Die verschiedenen Braun-Töne mit wenigen schwarzen Akzenten lassen die Ähren erscheinen als würden sie vom Wind bewegt.

Das Ende des Ackers wird durch einen schmalen Streifen von Wiese verdeutlicht, der genauso wie das Feld am Horizont endet. Der Horizont wird nur von der Person und von dem Baum unterbrochen. Dahinter verläuft ein hellblauer Fluss  in den vereinzelt dunklere Blaue Schraffierungen eingezeichnet sind. Außerdem führt vom rechten Bildrand ausgehend ein grün-brauner Pfad zum linken Bildrand und somit zum Feld. Auf dem Horizont der rechten Seite sind in der Ferne kleine, schwarz umrissene Bäume und Häuser zu sehen. Die Sonne ist durch einen großen, gelben Kreis dargestellt und leuchtet über den gesamten Himmel. Es wirkt als wäre das Gelbe der Sonne mit warmen orangeroten Strahlen, dies sich im Himmel wieder spiegeln, verbunden. Denn dieser ist keineswegs blau, sondern in der Farbe der Sonnenstrahlen gehalten.

Die Person befindet sich auf dem Feld und ist dunkel gezeichnet, wodurch sie schattenhaft wirkt. Sie trägt ein grünliches Gewand und eine Kopfbedeckung in der gleichen Farbe und aus identischem Stoff. Durch das Gewand ist nur ein wenig Haut zusehen, nämlich ein Teil des Gesichts sowie die Hände. Die Person wirkt leicht nach vorne gebeugt und ist nur bis unterhalb der Knie abgebildet. Der Kopf ist nach unten geneigt und lässt keine Gesichtszüge erkennen.

Die Person streut mit der offenen, rechten Hand etwas auf das Feld. Die linke hält das Gewand zusammen, dieses hat dadurch eine Raffung vorne auf der Brust. Beide Hände – vor allem jedoch die rechte – sind im Gegensatz zum Gesicht wesentlich detaillierter dargestellt und jeder einzelne Finger ist gezeichnet worden.

Bildquelle: Kunstkopie.de

Text: Mandy Buchwalsky

 

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„Weitersehen 2017“ – Jahrbuch des DBSV

Kultur ist ein facettenreicher gesellschaftlicher Bereich, an dem auch blinde und sehbehinderte Menschen uneingeschränkt teilhaben wollen. Das umfasst den Zugang zu Fernsehformaten und Filmen ebenso wie zu Theatern, Opern und Museen.

Weitersehen 2017“, das aktuelle Jahrbuch des DBSV, steht unter dem Motto „Kultur erleben – wenn Inklusion im Kopf beginnt“. Zu Wort kommen blinde und sehbehinderte Museumsbesucher, Künstler und Kulturvermittler. Träger und Projektverantwortliche erzählen, wie es in Zusammenarbeit mit der Selbsthilfe gelingen kann, Barrieren abzubauen. Anlässlich des 15. Jubiläums, das der Deutsche Hörfilmpreis im kommenden Jahr feiern wird, blickt das Jahrbuch auf dessen Geschichte zurück und beleuchtet die Bedeutung von Audiodeskription in Film, Fernsehen und Theater.

„Weitersehen 2017“ ist bei den Landesvereinen des DBSV als Schwarzschrift- und DAISY-Ausgabe erhältlich.

Mehr Infos unter www.dbsv.org/infothek/jahrbuch-weitersehen

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