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100 Meisterwerke: 64. „Ohne Titel“, Rote Tinte und Bleistift auf Papier, 1998 von Louise Bourgeois

Bleistiftzeichnung mit roter Tinte

Bei dem Werk von Louise Bourgeois, das in der Kunsthalle Bielefeld ausgestellt wird, handelt es sich um ein weißes Blatt Papier, auf dem lediglich mit rotem Stift und einem Bleistift gearbeitet wurde. Im ersten Augenblick wirkt es beinahe wie eine Kinderzeichnung, die an einem Familienkühlschrank hängen könnte. Auf den zweiten Blick erkennt man aber die fein säuberlich gezeichneten Linien und die verschachtelte Dimensionalität der Abbildungen.

Das Format des Blattes ist hochkant und etwa 75 Prozent des gesamten Blattes sind weiß, beziehungsweise leer geblieben. Bei ungenauer Betrachtung sieht es so aus, als strecke sich eine rote Säule, vielleicht auch ein sehr lang gezogener Käfig, vom unteren Bildrand bis über den oberen Bildrand. Das DIN A 4 Blatt reichte der Künstlerin aber offensichtlich nicht aus, da das Motiv am oberen Bildrand wie abgeschnitten aussieht, geradezu unvollständig. Es macht den Eindruck, als hätte Louise Bourgeois sich mit dem Maßstab vertan und es somit einfach nicht beenden können.

Bei genauer Betrachtung erkennt man zunächst ein rot gezeichnetes, sehr kleines Kind, welches gerade stehen kann. Die Konturen des Kindes sind ziemlich hart mit Bleistift heraus gearbeitet worden. Man könnte fast behaupten, dass Bourgeois mit Bleistift zunächst die Konturen des Körpers grob vorgezeichnet hat und diesen vielleicht noch korrigieren wollte, falls die Proportionen nicht gestimmt hätten. Das Kind hat einen sehr runden Kopf, ohne Haar und ohne Gesichtszüge. Lediglich ein roter Punkt deutet das Auge an. Der Oberkörper des Kindes ist nicht ausgemalt, sondern lediglich in rot und weiß konturiert. Wenn man anhand der übrigen Kleidung Rückschlüsse auf das Geschlecht des Kindes ziehen müsste, so wäre es wahrscheinlich ein Mädchen, denn es trägt einen Rock und das Bild macht nicht den Eindruck, als würde es stereotypische Gender Vorurteile infrage stellen wollen. Der Rock ist rot schraffiert worden, in der Diagonalen von links oben, nach rechts unten. Darunter trägt das Mädchen noch eine Art Strumpfhose, zumindest kann man dies erahnen. Die Beine sind vordergründig mit Bleistift ausgemalt worden, aber auch etwas Rot lässt sich darin finden. Die dünnen, feinen Details in rot auf den Beinen erinnern an blutgefüllte Äderchen. Der Übergang von Bein zu Fuß ist fließend, wenngleich die Füße ausschließlich rot gezeichnet sind.

Das Kind ist im Profil abgebildet, somit ist auch nur ein Arm erkennbar. Er ist abgesehen von seinen Umrissen komplett papierweiß und etwas unproportional zum Rest des Körpers. Das Kind klammert sich mit der einen sichtbaren Hand, mit ungefähr drei Fingern, an rote Schnüre, welche von oben herab hängen. Die Beine sind so gezeichnet, als würde das Kind gehen. Das hintere wirkt dünner als das vordere Bein.

Man erkennt, dass es sich bei dem Gegenstand links vom Kind, also die rote Säule in der Bildmitte, um eine Frau handelt. Eine Frau mit zwei Körpern übereinander gezeichnet. Beide Körper bilden zusammen unter sich einen kleinen Schatten, der zwischen zwei Absatzschuhen auf dem Boden scheint. Die Schuhspitzen zeigen nach aussen. Da das Bild aus dieser Perspektive überhaupt keinen Sinn ergibt, bestärkt sich der Eindruck, das es sich um eine Zeichnung von Kinderhand handelt. Die beiden Körper haben die selben Beine, man erkennt nur zwei. Das Kind daneben erstreckt sich bis auf Höhe der Knie. Oberhalb der Knie erscheinen die Körper völlig unterschiedlich. Der eine ist groß und dünn. Der zweite Körper hingegen hat eine Sanduhrenform und ist üppig mit Brust und Gesäß ausgestattet und hat im Vergleich eher dünne Arme, die augenscheinlich hinter dem Rücken verschränkt sind.

Beide Körper wurden frontal gezeichnet und sind im Vergleich zu dem Kind wesentlich kräftiger mit Rot gezeichnet worden. Der üppige Körper trägt auch eine Bluse mit acht erkennbaren Knöpfen in Doppelreihe und einem Kragen. Man sieht keinen Ausschnitt. Der sich dort anschließende Hals ist allerdings überdimensional lang und wurde mit Bleistift gezeichnet, danach aber scheinbar wieder ausradiert. Er wirkt deshalb schmutzig und passt nicht zum Rest der sichtbaren, unbekleideten Körperteile. Am Ende des Halses schließt sich der einzige Kopf an, über den die beiden Frauenfiguren verfügen. Herzförmige geöffnete Lippen sind ins Gesicht gezeichnet und ein roter Querstrich deutet die Nasenspitze an. Der Rest des Gesichts ist nicht mehr auf das Blatt gezeichnet worden und macht das Bild unvollständig. Man kann noch erahnen, dass die große Frau entweder sehr langes Haar hat, bis zum Fußboden genauer gesagt, oder einen Umhang vom Kopf bis zu den Füßen trägt, der über die im Ansatz erkennbaren, schmalen Schultern hinab gleitet. Es wirkt zum einen wie Haare, weil es lange, durchgehende, rote Striche sind, die sich am Ende leicht nach außen Wellen. Wie ein Umhang wirkt es, weil es sich an den üppigen Körper anschmiegt und die Sanduhrenform umschmeichelt.

Das Kind hält sich also an dem Haar oder dem Umhang fest. Die hinter dem Rücken verschränkten Arme der üppigen Dame sind leicht ausradiert worden, als hätte sich Louise dagegen entschieden oder eben auch festgestellt, dass die Proportionen nicht stimmen. Mit viel Phantasie könnte man behaupten, dass es sich hierbei um eine Entwicklung ein und der selben Person handelt. Erst ist sie eine wunderschöne, starke und wohl proportionierte Frau und dann wird sie zu einem Geist und zieht gen Himmel davon, weshalb sich vielleicht auch das Kleinkind an sie klammert.

Bildquelle: restauratoren.de

Text: Max Scheller

 

 

 

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100 Meisterwerke: 26. „Louise Bourgeois“ von Robert Mapplethorpe

Louise Bourgeois

Die Schwarzweiß- Fotografie wurde 1982 von dem amerikanischen  Fotografen und Künstler Robert Mapplethorpe aufgenommen und ist ein Portrait der Französisch –Amerikanischen Künstlerin Louise Bourgeois. Auf dem Bild ist sie 72 Jahre alt. Sie steht oder sitzt vor einem einheitlich grauen Hintergrund und ihr  Oberkörper ist bis zur Taille zu sehen. Sie befindet sich etwas nach rechts gedreht in der rechten Hälfte des Bildes und schaut direkt in die Kamera.

Louise Bourgeois trägt graumelierte, längere Haare, die sie zurückgebunden hat, der Zopf ist aber nicht zu sehen. Sie hat einen lockeren Seitenscheitel auf der linken Seite. Sie lächelt verschmitzt und fast frech in die Kamera und ihr Gesicht scheint von der rechten Seite beleuchtet zu sein. Durch die Beleuchtung entsteht ein leichter Schatten auf der linken Seite ihres Gesichts. Dieser beginnt am Ende ihres Auges und zieht sich über Wange und ihr linkes Ohr bis zum Kinn, wo er dunkler ist. Ihre hellen Augen sind etwas  zusammengekniffen und lachen mit. Durch ihr Lächeln sind ihre Zähne  teilweise sichtbar.

Sie hat ein ovales Gesicht mit einer hohen Stirn mit vielen kleinen Falten und vielen Lachfalten um die Augen. Ihr rechtes Ohr ist durch die Drehung ihres Kopfes nicht zu sehen. Ihre Nase ist lang und schmal und sie hat kurze geschwungene Augenbrauen. Sie sieht freundlich, frisch und irgendwie beeindruckend aus.

Sie trägt eine sogenannte Affenfelljacke. Dies ist eine schwarze Felljacke aus glattem, mattem  Kunstfell. Die Haare des Kunstfells sind etwa zehn Zentimeter lang. Die Ärmel der  Jacke reichen bis zu den Handgelenken und der Kragen bedeckt ihren kompletten Hals. Der linke Arm hängt gerade herunter und die Hand ist nicht mit auf dem Bild.

Der rechte Arm ist angewinkelt und unter dem Arm hält sie eine etwa fünfzig Zentimeter große Penisplastik. Die Spitze des Penis‘ zeigt nach rechts und die Hoden ragen wie zwei Bälle übereinander hinter ihrem Ellenbogen bis zum linken  Bildrand hervor. Mit ihrer rechten Hand hält sie die Spitze des Penis‘ fest. Es sind nur der Daumen und der Zeigefinger zu sehen.

Bei der Penisplastik handelt es sich um die Skulptur „Fillette“ die die Künstlerin selbst 1968 anfertigte. Die Plastik wirkt wie aus Bronze gegossen, ist aber mit Latex überzogen, Sie ist braun und hat eine feine, fast aderige Struktur. Die Farbe lässt sich allerdings in der schwarz-weiß- Fotografie schwer bestimmen. Die Art wie sie die Skulptur hält soll an die Art erinnern, wie in Frankreich Baguettes getragen  werden.

Bildquelle: pinterest

Text: Jana Marie Schmidkunz-Gereke

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