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Unfreiwilliges Spiegelbild

Eine Steinskulptur

Beschreibung von Verena und Anne
An unserem ersten Termin des Seminar Fotografieren für Blinde, haben wir am Nachmittag einen Streifzug über den Antiquitäten Flohmarkt am Tiergarten gemacht. Dabei konnten wir einige kuriose Entdeckungen machen und unsere tolle Fotografin Mary hat gegen Ende der Tour unter anderem dieses schöne Foto geschossen. Das vorliegende Bild zeigt das Spiegelbild einer Skulptur die wir durch Zufall entdeckt haben.
All das was im weiteren Verlauf beschrieben wird, ist nicht die direkte Abbildung des/der Objekte, es handelt sich dabei um die Fotografie eines Spiegelbildes.
Im Hintergrund ist der Tisch des Flohmarkthändlers zu sehen, auf dem eine dunkelrote Samttischdecke liegt. Die Tischkante verläuft parallel zum oberen Bildrand, nur ansatzweise erkennt man, dass auf dem Tisch noch Gegenstände liegen. Diese sind jedoch sehr unscharf, lediglich etwas blau und grau ist zu erkennen.
Der linke Bildrand wird durch den schrägen Zierschliff des Spiegels geprägt. Durch den Facettenschliff zeigt das Bild eine doppelte, nebeneinander liegende Spiegelung der Gegenstände. Zum einen sieht man eine hellbraune, runde Rattan Box, die circa mit der waagerechten Bildmittellinie abschließt und oberhalb ein Stück der Rückenlehne eines rot-braunen Korbsessels. Insgesamt nimmt beides das linke Viertel des Bildes ein. Im Detail macht ein Drittel die Spiegelung des Facettenschliffs aus, dort sind die Box und der Sessel sehr unscharf dargestellt, weiter rechts folgt dann die schärfere Spiegelung bei der sich eine Flechte am oberen Rand der Rattanbox erkennen lässt.
Nun kommen wir zum Hauptmotiv des Fotos, dies zeigt eine Steinfigur, auf dem Rücken liegend mit Flügeln. Die Figur liegt auf der senkrechten Mittelachse des Bildes. Die Skulptur hat den Blick nach links oben aus dem Bild gerichtet, spitz zulaufende Ohren und die Zunge hängt aus dem Mund, dessen Mundwinkel nach unten zeigen. Die Beine sind angewinkelt und eine Hand befindet sich zwischen den Beinen, die Füße liegen aufeinander und die linke Hand fasst an das Gesäß. Zum rechten Bildrand hin ist ein Flügel zu sehen, der an den einer Fledermaus erinnert. Die Spitze des Flügels wird vom rechten Bildrand abgeschnitten, das Gesäß der Skulptur vom unteren Bildrand.
Die Skulptur liegt auf einem runden weißen Tisch, dahinter sind einige hellgrüne Linien zu erkennen die von rechts oben diagonal nach nicht ganz links unten verlaufen. Diese Linien gehören zu einem runden Sessel, der hinter dem Tisch mit der Skulptur steht und bilden eine starken Kontrast zu den sonst eher erdigen Farbtönen des Bildes. Das Highlight, im wahrsten Sinne des Wortes, bleibt allerdings die Skulptur, die fast komplett weiß und als einziges scharf dargestelltes Objekt zu erkennen ist.

 

Insgesamt ist das Bild recht klar, die Skulptur wirkt leidend, sodass das Bild bei längerer Betrachtung eher eine gedrückte Stimmung vermittelt, aber auf der anderen Seite wirkt es auch hoffnungsvoll, durch den Blick, den die Skulptur nach oben richtet…

 

(aus dem Fotoseminar mit Blinden)

 

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Jan van Eyck – Die Arnolfini-Hochzeit

STATUS: SCHON BESCHRIEBEN

Dies ist das Bild Jan van Eycks, das Ewa zu ihrer Beschreibung von Siljas Spiegelfoto heranzieht.

Jan van Eyck: Die Arnolfini Hochzeit

Bildbeschreibung von Cord:

Das Gemälde zeigt ein stehendes Paar in einem nicht sehr großen Zimmer, links der Mann und rechts die Frau. Das Paar wirkt recht ernst, das gesamte Bild etwas streng. Ich habe den Eindruck, die beiden Menschen stehen etwas steif da. Sie tragen Kleidung, wie sie wohl bei reichen Bürgern im 15. Jahrhundert zu festlichen Anlässen üblich war, sichtbar wohlhabend, aber nicht protzig. Die beiden reichen einander die Hände, genauer, sie  strecken sie sich seitlich auf Bauchhöhe entgegen. Die Frau hat ihre geöffnete rechte Hand auf seine ebenfalls geöffnete Linke gelegt. Beide haben sehr kleine, zarte Hände. Er hält seine rechte, flache Hand vor seiner Brust hoch. Die linke Hand der Frau ruht auf ihrem sehr dicken Bauch. Sie sieht hochschwanger aus.

Der Bildausschnitt zeigt nur wenig mehr als die beiden Personen. Das Zimmer, in dem sie stehen, wirkt dadurch sehr eng.  Es ist sparsam eingerichtet und wirkt alltäglich. Links neben dem Mann befindet sich im Hintergrund ein Fenster, vor dem ein kleiner Tisch steht, auf dem einige Äpfel liegen, rechts, schräg hinter der Frau steht ein großes rotes Himmelbett.

In der Mitte sieht man durch die beiden Figuren hindurch oben einen vierarmigen Deckenleuchter aus Messing, in dem nur eine Kerze steckt, die aber brennt, obwohl es Tag ist.

Darunter steht, quasi auf die hintere, graue Zimmerwand geschrieben, „Johannes v Eyck fuit hic“ und darunter „1434“. (Wobei ich die geschwungen geschriebene Jahreszahl allein kaum hätte entziffern können. Aber in der Wikipedia steht es so. Dort auch  etwas zur Deutung des Bildes, sowie Literaturangaben.)

Und darunter wiederum der Spiegel, den Ewa in ihrem Beitrag erwähnt. Man sieht dort das stehende Paar von hinten und zwischen ihnen hindurch den Maler und aufgrund der Wölbung des Spiegels einen weiteren Bildausschnitt, also mehr vom Zimmer, als auf der ersten Bildebene. So werfen wir im Spiegel, winzig klein, einen Blick auf das gemachte Bett und sehen durch das Fenster etwas von der Landschaft draußen.

Der Spiegel steckt in einem Holzrahmen, der mit zehn kleinen runden Medaillons mit gemalten Stationen aus der Passion Christi geschmückt ist.

Links neben dem Spiegel hängt ein Rosenkranz aus Glas- oder Bernsteinperlen mit grünen Quasten an den Bandenden. Rechts daneben hängt ein Handfeger aus Reisig am Bettpfosten des mit geschnitztem Maßwerk verzierten Holzrückens des Bettes.

Unter dem Spiegel steht eine mit dem gleichen roten Stoff wie das Bett überworfene Bank, unter der zwei Pantoffeln aus rotem Leder stehen.

Auf den gräulichen, bloßen Holzdielen des Fußbodens liegt vor dem Bett ein geometrisch gemusterter Teppich. Die Dielen tragen wesentlich dazu bei, daß das Ambiente des Bildes nüchtern und wenig prunkvoll wirkt.

Daran, daß ich all diese Details auf diesem relativ kleinen Bild von 82 mal 60 cm erkennen kann, merkt man schon, daß es sehr, sehr fein gemalt ist. Man sieht noch die Kratzer auf dem Messingleuchter und die Falten in der zarten Hand der Frau.

Diese trägt ein grünes Kleid, mit großzügigem Faltenwurf und weißem Fellbesatz. Darunter sieht an den Ärmeln ein blaues Unterkleid mit Bündchen aus einem geflochtenen goldenen Band hervor. Im Ausschnitt der Frau sieht man eine goldene Halskette. Als Kopfschmuck trägt sie eine große Haube aus gestärktem weißen Stoff mit einer Spitzenborte.

Neben den auf den Boden fließenden Falten ihres Kleides steht im Bildvordergrund ein kleiner graubrauner, struwweliger Hund. Neben ihm wiederum liegt ein paar Frauen-Holzpantoffeln mit Lederriemchen.

Der Mann trägt einen dunkelvioletten, mit braunem Pelz besetzten Überwurf über seiner ansonsten dunkelblauen Kleidung. Auf dem Kopf trägt er einen fast zu groß aussehenden schwarzen Hut mit breiter Krempe, größer als ein Zylinder. Der feine Stoff der Kleidung und die Pelze tragen wesentlich dazu bei, daß das Paar sehr wohlhabend wirkt.

Bei allen wahrnehmbaren Details wirkt das Bild dennoch sehr einfach und ruhig. Die großen Farbflächen – das Violett des Umhangs des Mannes vor dem grau-braunen, eher dunkel wirkenden Hintergrund des Zimmers und das Grün des Kleides der Frau vor dem roten Bett – dominieren.

Der Teint der beiden Menschen ist auffallend hell. Das Gesicht des hageren Mannes ist schmal und zeigt keinen Haaransatz, vielleicht trägt er eine Glatze unter seinem Hut. Der Blick seiner fast wimpernlosen, halb gesenkten Lider geht schräg nach vorne, aber eigentlich geht er ins Leere, als sei er in sich versunken.

Der ebenfalls halb gesenkte Blick der Frau geht zum Mann oder wenigstens in seine Richtung. Ihr Gesicht hat ebenso wie das des Mannes ein Grübchen im Kinn, wobei ihr spitzes Kinn eher die Rundlichkeit des übrigen Gesichtes betont. Wie beim Mann kann ich ihren ruhigen Blick mit dem fest geschlossenen Mund kaum deuten.

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Ein Spiegel

STATUS: SCHON BESCHRIEBEN

Ein Foto der blinden Malerin und Fotografin Silja Korn

Ein Spiegel in einem geschwungenen Rahmen. Er zeigt eine Küche.

Beschreibung von Ewa Maria Slaska:

In einem wunderschönen Kristallspiegel aus dem 19. Jahrhundert widerspiegelt sich eine schöne altmodische und zugleich ziemlich moderne Küche in einem alten Bauernhaus. Es kann natürlich sein, dass das alles bloß eine gelungene Nachahmung ist, also kein Biedermeierspiegel und kein Kristall, kein altes Bauernhaus, überhaupt kein Bauernhaus, sondern eine Plattenbauten-Wohnung in Marzahn mit lauter Attrappen. Aber auf dem Foto ist es glaubwürdig, authentisch, alt und unheimlich schön.

Die Gegenstände sind schön, die Wirkung des Fotos… unheimlich.

Es ist ein Verwirrungsspiel, in dem schwer zu urteilen ist, was wo platziert ist. Wahrscheinlich ist der Spiegel auf der Hinterwand eines Zimmers angebracht, in dem von der Decke her ein Art-Deco-Leuchter hängt. Die Küche ist im Raum nebenan, verbunden mit der guten Stube mit einer offenen Tür, direkt dem Spiegel gegenüber.

Unter dem Leuchter mit den Rücken zur Küche und mit der Kamera zum Spiegel muss die Fotografin stehen. Wo aber? Sie ist im Spiegel nicht zu sehen. Auch keine Kamera auf dem Stativ mit Selbstauslöser. Nichts nirgendwo. Wolkenheim.

Der Spiegel aus dem Hintergrund von Jan van Eycks "Arnolfini-Hochzeit". Man sieht darin das Brautpaar von hinten.Meistens ist es der Stolz des Künstlers, wenn er sich heimlich via Spiegel ins Bild bringt. Das Berühmteste ist das Spiegelselbstbildnis von Jan van Eyck auf dem Doppelporträt „Eheleute Arnolfini“ (gen. auch „Arnolfinis Hochzeit“) von 1434. Im Spiegel sieht man die Rücken der vorne stehenden porträtierten Eheleute, zwei Hochzeitszeugen und den Maler, wie er vor Staffelei sitzt…

Hier ist es umgekehrt. Spooky! Die Künstlerin hat sich selbst abgeschafft und auch ihr Medium, mit dem sie die Welt anhält. Alles ist nur im Spiegel, nur dies soll wahrgenommen werden. Aber das, was man im Spiegel sieht, ist nicht wirklich. Es ist ein Zerrbild, von links nach rechts gedreht. Eine in sich verwickelte Welt, ein Betrug. Sand in die Augen. Du siehst etwas, was es vielleicht gar nicht gibt. Oder du siehst es nicht, obwohl es da ist. Du kannst nur glauben, dass du etwas siehst. Spiegel ist ein Spiel.

Die Kamera schneidet diesen Spiegel aus, hebt ihn vor der weißen unbedeutenden Wand hervor, als ob der Rahmen des Spiegels zugleich auch Rahmen der ganzen Welt war.

Was also macht die Welt aus? OK, es ist die Küche. Ein Raum mit weißen Balken, Abstellleisten und Holz- bzw. Kachelverkleidung der Wände, die Decke zwischen den Balken türkisgrün gemalt. Aber auch in dieser Küche, die sich im Spiegel widerspiegelt, ist kaum etwas sicher oder fest angehalten. Frontal sieht man eine Küchen-Arbeitsplatte mit eingebautem Waschbecken und Armatur. Sie ist mit weißer gehäkelter Bordüre verziert. Hinter der Armatur sieht man eine weißgekachelte Wand, klassisch auf die Höhe von 4 Kacheln gebaut. Drauf eine moderne Küchenleiste mit einem Set der Edelstahlkochlöffel und Nippes. Darüber weiße Regale für alles Mögliche. Es stehen da irgendwelche kleine und gleich aussehende Emaillendosen, oder sind es Marmeladegläser? Oder was? Davor ein Mobile, lang, weiß. Hängt es da, oder in dem anderen Raum vor dem Spiegel und hier legt es sich nur im Spiegel der Kamera auf die Kachelwand drauf? Nebenan ein Zierlöffel, oder was ist das überhaupt?! Alles verschwimmt, verfließt. Ist unscharf und je länger man schaut, desto unschärfer.

Über den Gläsern steht noch etwas auf der frontalen Abstellfläche, verliert sich in der Dunkelheit, die die ganze rechte Ecke da oben übernimmt. In der Dunkelheit rechtsrum stehen kantig zu uns platziert ein Zierteller und vielleicht zwei kleine Vasen. Überhaupt ist da rechts vor der Armatur alles kantig und eckig, ohne dass man versteht, was es ist. Ein Brotofen? Ein Abzug? In diesem weißem Verschlag eine Nische und drinnen ein Porträt oder nur ein paar Flecken auf der Wand, die wie eine Gesichtsskizze aussehen.

Ich bin mir nie (NIE!) sicher, dass das, was ich sehe, da tatsächlich zu sehen ist. Das ist mein normaler Lebenszustand. Hier vermehrt er sich durch den Spiegel, durch das Foto des Spiegels, durch das Auge der Künstlerin, die es mit der Kamera gar NICHT gesehen hat! Und welche NICHT zu sehen ist.

Alles verschwimmt, verfließt. Es spukt.

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