Bildbeschreibung des Graureihers auf dem Spreekanal von Sandra
Auf dem vertikal fotografierten Bild ist ein – für Berlin Mitte – eher ungewöhnlicher „Besucher“ (es könnte auch eine Besucherin sein) abgelichtet, den mensch womöglich in die Kategorie „Wildes-Berlin“ einordnen würde. Ein Graureiher, umgangssprachlich auch Fischreiher genannt, scheint am Kupfergraben direkt bei der Schlossbrücke eine Pause einzulegen. Die kartografische Zuordnung ist auf dem Bild nicht rauszulesen; mir bietet sich die Möglichkeit der Benennung, da ich die Fotografin auf ihrer Fotoexkursion begleiten durfte.
Da der Graureiher der Eye-Catcher des Bildes ist und sich markant hervorhebt, beginne ich zuerst mit der Beschreibung des Bildhintergrunds. Im oberen Viertel des Fotos sind zwei Sandsäcke zu sehen; ein kleinerer im linken, oberen Bildeck und ein größerer der sich vom rechten Bildeck nach links bis über die Mitte des oberen Bildrands hinweg streckt. Den ursprünglich weißen Säcken ist ihre Verweildauer im Spreekanal bereits anzusehen: Sie sind fleckig überzogen mit moosgrünen Algen. Sie wirken ein bisschen wie aus dem Spreekanal herausragende Inseln, wovon die rechte obere Insel etwas Fjord ähnliches hat, indem vom rechten Bildrandeck ein Wasserbecken mit Flussendung nach links einläuft; der Sandsack scheint geöffnet zu sein. Auf der vertikalen Achse der Mitte des Bildes, ragt vom rechten Sandsack eine Art Leinengurtschlaufe aus dem Wasser. Eine solche dunkelgrüne Schlaufe ist auch am Sandsack oben links zu sehen; sie wiederum scheint optisch an der mit weißen Schaumflecken überzogenen Wasseroberfläche zu schwimmen. Beide Sandsäcke sind auch noch unter der Wasseroberfläche zu sehen, obgleich ihre grüne Tarnung im moosgrün wirkenden Wasser ihre Silhouetten verschwimmen lässt. Im Zentrum des Bildhintergrunds ist ein weiterer Sandsack sowohl über, als auch unter der Wasseroberfläche zu erkennen. Das Material über der Wasseroberfläche hebt sich in kontrastreichem Weiß zum restlichen Grün des Wassers deutlich ab. Auch hier sind Teile von Leinengurten zu erkennen sowie eine auf dem Sandsack liegende, kurze Holzlatte die ebenso aus dem Wasser herausragt. Zur linken Seite dieses Sandsacks, sowie zur linken eines weiteren, kleiner wirkenden Sandsacks im rechten unteren Bildeck, schließt sich eine Holzpalette an.
Zwischen fünf Uhr direkt am unteren Bildrand und neun Uhr direkt am linken Bildrand verläuft ein dreieckiger Ausschnitt dieser Palette. Zu erkennen sind fünf helle und durch den Bildrand begrenzt unterschiedlich lang wirkende Holzleisten, die über der Wasseroberfläche vom linken Bildeck schräg zur Mitte hin verlaufen. Die Verbindungsleiste ist braun-grün und zieht sich unter der Wasseroberfläche (von fünf zu neun Uhr). Die Leisten der unteren Palettenseite sind ebenso braun-grün und eher schattenhaft zu erkennen.
Jetzt zum eigentlichen „Star“ des Fotos: Der Graureiher durfte an die achtzig bis neunzig Zentimeter groß sein; er erstreckt sich mit seiner linken Körperseite – von Schnabel- bis Gefiederschwanzspitze – beinahe über die Diagonale des Bildes. Sein dolchartiger Pinzettenschnabel ist geschlossen und zeigt zwischen zehn und elf Uhr auf den Sandsack im linken Eck des Bildes. Die Wachshaut des Schnabels ist orange-gelb und wird zum schwarz-gelben Auge hin heller bis beinahe weiß. Da der Reiher von links oben fotografiert wurde, können die Betrachter_innen deutlich sehen wie sich die hier dunkelblau wirkenden, eigentlich aber schwarzen Schmuckfedern vom weißen Gefieder des Oberkopfs farblich abheben. Die Schmuckfedern verlaufen über dem Auge beginnend, schmaler zulaufend über den Kopf hinunter zum oberen Drittel seines Halses. An der Oberkopfmitte – zwischen den vom linken und rechten Auge ausgehenden dunklen Schmuckfedern – zeichnet das weiße Kopfgefieder eine federartige Form nach, die mit Federspitze zum Hals hinunter ausläuft. Der gestreckte Hals, der beinahe die Hälfte der gesamten Körperlänge auszumachen scheint, der erhobene Kopf und der fokussierende Blick lassen das Tier grazil, stolz und aufmerksam erscheinen. Das Gefieder seines Halses ist weiß und geht im Übergang zum Oberkörper in ein helles Grau über. Das Rückengefieder schimmert grau-blau und ist mit konturenstarken, dünnen weißen Federn durchzogen. Das schwarz-graue Gefieder der linken Schwinge erscheint weicher und flauschiger. Das grau-blaue Gefieder des Rückens wiederholt sich auch vereinzelt auf der Schwinge und hebt sich in Farbe und klarerer Kontur von diesem ab. Die großen und kräftig wirkenden Schwanzfedern die überlappend in einem Spitz zusammenlaufen, sind präzise zu erkennen. Das Blau-Grau der oberen Schwanzfedern, hebt sich von dem schwarz-grauen, darunter liegenden Gefieder ab. Am Übergang von Hals, Oberkörper und Schwinge ist ein schwarzer und weißer Gefiederfleck auszumachen, der beinahe wie ein Gefieder-Mal beschrieben werden kann.
Die gefiederlosen, dünnen und stelzigen Beine nehmen die Farbe des Schnabels wieder auf; obgleich in weniger Farbintensität, Leuchtkraft und mit zusätzlichem Grau. Sie befinden sich am unteren Bildrand, etwas rechts von der vertikalen Bildachsenmitte. Das linke Bein ist etwas angewinkelt, mit dem Fuß in der Luft. Aufgrund der Bildperspektive ist der leicht nach unten abgesenkte Fuß mit seinen Zehen, von der Rück- und Unterseite zu betrachten; Schwimmhaut und Krallen sind mehr zu erahnen als zu erkennen. Das andere Bein ist gestreckt; der Fuß scheint auf der ersten Leiste der Holzpalette am unteren Bildrand zu stehen. Dies kann jedoch nur vermutet werden, da der rechte Fuß nicht vom Bild erfasst ist.
Alles in allem ein kontrastreiches Foto – sowohl in seinen Farben, als auch in seinem „Inhalt“ oder „Thema“ (Stadt vs. Natur).
Foto und Bildbeschreibung entstanden in unserem Fotoseminar für Blinde
Hier noch ein PS von Sandra: Marianne und ich unterhielten uns über die Bildbeschreibung. Dabei wurde deutlich wie unterschiedlich (in ihrer Bedeutsamkeit für die jeweiligen Betrachter_innen) Bildinhalte aufgenommen werden. Während es mir bei dem Foto des Graureihers wichtig erschien auch den Hintergrund präziser zu beschreiben, hätte dieser für Marianne durchaus knapper ausfallen können da er auf sie weniger relevant wirkte. Für mich war er wiederum bedeutsam, da sich durch den farblichen Kontrast – entstehend durch den dunklen Hintergrund – das Tier noch mehr in den Fokus des Bildes stellte. Zudem wirkten die Bildinhalte auf mich beinahe Widersprüchlich, so dass dies für mich festzuhalten bzw. mitzuteilen war: Die moosgrünen Sandsäcke und die Holzpalette standen für mich in starkem Kontrast zu dem sauberen, schönen und grazilen Anblick des Tieres.
Mir war es ein Genuß, diese Bildbeschreibung zu lesen.
Ich lese diese bereits zum zweiten ma,
Herzlichen Glückwunsch für diese gelungene Arbeit.