Hallo!
Hier kommt ein Foto aus meiner Tanzstunde. Es ist nicht direkt aus dem
Unterricht, weil ich mich natürlich nicht im Spiegel sehen kann. Aber
da das Selfie aus dem Schloss Charlottenburg so gut rüberkam, hab ich
gedacht, das ist vielleicht auch eine gute Idee für dieses Bild. Die
Geste, die ich mache, gehört zu einem Tanz, bei dem es darum geht,
etwas Imaginäres aus der Luft zu greifen und damit die Bewegungen
weiter zu gestalten. Im Hintergrund sieht man meine Tanzlehrerin Frau
Bender, die schon länger inkulsiven Tanzunterricht anbietet. Im Moment
ist sie gerade auf der Suche anch weiteren blinden Schülerinnen. Ich
tanze seit April bei ihr und kann sie sehr empfehlen. Sie hat sich
toll auf meine Blindheit und Schwerhörigkeit eingestellt und die
Stunden bei ihr sind wirklich etwas ganz Besonderes. Ihr Stil nennt
sich Tanztheater. Es geht darum, Bewegungen aus dem Alltag
künstlerisch in den Tanz einzubauen. Sie gibt ganz klare, kleine
Anweisungen, aber ansonsten ist man völlig frei in der Umsetzung, was
mir sehr gefällt. Wenn jemand Lust aufs Tanzen hat, einfach bei mir melden; ich geb gern
die Kontaktdaten weiter.
Ein Gedicht von Katrin zu diesem Bild:
Ich tanze
Ich tanze mit den Füßen im Regenbogen
In den Wolken versinke ich fast.
Meine ausgestreckten Arme sind starke Pflanzen.
Meine Finger Sonnenstrahlen.
Meine Haare die Strahlen des Mondes.
Mein Atem der Wind und meine Augen die Sterne.
Ich tanze zu einer unhörbaren Melodie.
Zu einem Lied, das aus meinem tiefsten Innern kommt aus dem Urgrund der Erde, aus dem uralten, unendlich begrenzten All.
Ich tauche hinab durch die Luftschichten und versinke im Wasser der Meere.
Ich bin der Nebel der Wälder, der Raureif des Herbstes und der Schnee der kalten Tage.
Ich bin der Dampf, der zu den Wolken aufsteigt und als Regen wieder auf die Erde fällt.
Ich bin das Lebenselixier, der Stoff, aus dem alles gemacht ist.
Ohne mich könnte niemand leben.
Doch ich bin auch voller Widersprüche.
Voller Harmonie und Zwiespalt.
Voll Vielfalt der Seinszustände.
Ich bin gefroren, kalt oder warm,
bin Dampf in der Luft oder flüssig auf der Erde.
Durch alle Wasser laufe ich, auf allen Ländern bin ich zu Hause.
Ich flieg mit dem Wind, tanze mit den Wellen und wandle mit den Gezeiten.
Ich ströme durch Menschen und Tiere, durch Pflanzen und Steine und forme sie mit meinem immer gleichen, ewig wechselnden Wesen.
Nennt man mich Wasser, irrt man sich sehr.
Ich bin mehr als das und doch viel weniger.
Ich bin unsichtbar, kenne viele Formen.
Ich bin gefunden und verloren.
Ich lache und weine zugleich.
Ich bin die Mitte des Regenbogens,
im Zentrum zwischen zwei widersprüchlichen Polen.
Sie ziehen mich in beide Richtungen zugleich.
Magnetisch bin ich nicht, doch unendlich sinnlich.
Ich genieße jede Berührung,
jede Begegnung nehme ich als unschätzbares Geschenk dankbar an.
Ich tanze mit dem Wind und den Wellen,
streichle die Wesen der Welt mit meinem Federstab und gleiche aus, wo Ungleichgewicht herrscht.
Ich bin Mond und Sonne zugleich und alle Sterne, Tag und Nacht, zeitlos und im Augenblick schwebend.
Ich bin ein Wunder.
Und doch etwas so gewöhnliches, dass mich die meisten Wesen kaum bemerken, weil ich so selbstverständlich in ihnen verweile, dass ich schon zum Alltag gehöre.
Still setze ich meinen Weg fort,
lächle versonnen
und freue mich
über alles, was ich erlebe.